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Tödlicher Virus
Spinney, Laura: 1918 - Die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte. – München: Hanser Verlag, 2018. – 377 Seiten
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Es ist während Corona vielleicht keine gute Idee, ein Buch über eine historische Pandemie zu lesen, fragte ich mich, als mir dieses Buch in die Hände fiel. Dieses aber schon, denn die Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney versteht es, ein schwieriges Thema spannend aufzubereiten. Im Jahr 1918 wütete die Spanische Grippe rund um den Globus. Zwischen 50 und 100 Millionen Tote war die verheerende Bilanz der Krankheit und binnen weniger Wochen erkrankte ein Drittel der Weltbevölkerung. Welche Auswirkungen diese Katastrophe auf Gesellschaft, Politik und Kultur hatte, zeigt die Autorin auf. Die Spanische Grippe traf Politiker und Schriftsteller, Schauspielerinnen und Tagelöhner gleichermaßen, aber vor allem auch die Männer in den Schützengräben Frankreichs und beeinflusste damit den 1. Weltkrieg. Ob in Europa, Amerika, Asien oder Afrika, an vielen Orten brachte die Grippe auch die Machtverhältnisse ins Wanken und prägte Modernisierungsbewegungen. Und auch damals gab es Ansätze, die Menschen zu schützen und Scharlatane, die mit obskuren Medizinen Geld verdienten.
Historisches Thema, topaktuell!
Andrea Däuwel-Bernd
Wörterherkunft zum Mitraten
Schomburg, Andrea; Schautz, Irmela: Der geheime Ursprung der Wörter. Das Herkunftswörterbuch zum Mitraten. – DuMont Verlag, 2020. – 171 Seiten
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Die Herkunft von fast vergessenen deutschen Wörter wird in diesem handlichen und liebevoll illustrierten Buch erläutert. Das Besonders daran ist: jeder kann mitraten! Vier Herkunftsgeschichten werden angeboten, aber nur eine davon ist wahr, alles andere ist Humbug. Ein paar Beispielwörter: Schlafittchen, Firlefanz, Brimborium, Larifari, Blaustrumpf oder Mumpitz. Neugierig geworden? Am besten gleich ausleihen und losknobeln!
Tanja Schleyerbach
Niemand versteht die Ledermäuse!
Moers, Walter: Der Schrecksenmeister. Ein kulinarisches Märchen aus Zamonien. – München: Piper, 2006. – 382 Seiten
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In Sledwaya ist man krank. Chronisch. Auch Echo, dem Krätzchen, geht es nicht gut. Er ist am Verhungern. Also schließt er einen Pakt mit dem Schrecksenmeister Eißpin, um wenigstens noch bis zum nächsten Vollmond weiterzuleben. Auf dem Schloss des Schrecksenmeisters gibt es nicht nur die leckersten Leckereien, es wird auch ein Gespenst gekocht, und Echo lernt Geheimnisse der Alchemie und verschiedene (leicht skurrile) Geschöpfe kennen. Unfassbar fantasievolle Geschichte mit wahnsinnig originellen Ideen. Extrem lustig und schön. Love it!
Andrea Bässgen
Mäuschen spielen im Atelier
Francesca Bonazzoli / Michele Robecchi: Gesichter mit Geschichten: 43 Porträts in der Kunst. München: Prestel Verlag, 2020. – 197 Seiten
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Wer sind die Menschen, die sich hinter berühmten Porträts der Kunstgeschichte verbergen? Heute bewundern wir in Museen die Form und Farbe von Bildnissen und die Fertigkeiten der Künstlerinnen und Künstler, wie sie die Gesichter so lebensnah darstellen können. Aber immer, wenn ich vor einem Porträt stehe, frage ich mich, wie die Lebensgeschichte der Porträtierten verlaufen ist, wie sie heißen und was sie in ihrer Zeit erlebt haben. Nur manchmal findet man im Internet dann ausreichende Antworten. Dieses Kunstbuch will Menschen und ihre Gesichter in den Mittelpunkt stellen und die Identität der Modelle entschleiern. Auf jeweils 4 Seiten werden berühmte Porträts ab 1500 bis heute vorgestellt. Und es werden spannende Dramen, Stories und Anekdoten rund um die Gestalten auf der Leinwand erzählt: Caravaggios Madonna dei Pellegrini im Altarbild war eine Prostituierte, Rubens malt die eigene Ehefrau nackt, zwei französische Botschafter posieren zwischen Totenschädel und Laute, die englische Lady hat einen rasend eifersüchtigen Ehemann, der Zahnarzt steht Modell. Besonders aufschlussreich fand ich die Erläuterungen zu den Bildern aus der zeitgenössischen Kunst. Die Hinweise im Buch offenbaren deren oft zeitgeschichtlich höchst aktuellen politischen Bezug.
So lässt sich Kunstgeschichte auch für Laien spannend erzählen. Und beim nächsten Gang ins Museum wird der Blick ein anderer sein, egal ob er auf Madonnen, Kinder oder Pilgernde fällt!
Andrea Däuwel-Bernd
Packendes Biopic
Manaslu. Berg der Seelen. – Regie: Gerald Salmina. – D, 2019. – 1 DVD. – 118 Minuten
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Hans Kammerlander, Jahrgang 1956, Extrembergsteiger, der 12 Achttausender erklomm, verlor 1991 am nepalesischen Berg Manaslu an einem Tag innerhalb weniger Stunden zwei seiner besten Freunde: Karl Großrubatscher stürzte ab, Friedl Mutschlechner wurde bei einem Gewittereinbruch vom Blitz erschlagen. In Rückblenden wird Kammerlanders Leben sowie dieser schicksalhafte Tag eingeblendet und reflektiert. Angefangen von den kleineren Bergen seiner Südtiroler Heimat bis zu den größten Himalayaüberquerungen an der Seite Reinhold Messners werden in Spielfilmsequenzen dramatische Szenen nachgespielt und sein Leben ungeschminkt in Höhen und Tiefen, Erfolgen und Niederlagen packend dargestellt. „Am Berg gibt es keine Moral“ – dieses Zitat wird auf die Probe gestellt. Immer wieder werden die nachgespielten Szenen mit berückend schönen Naturaufnahmen ergänzt durch Interviews mit einem Mann, der 2013 bei einer Alkoholfahrt einen jungen Menschen tötet und über diese Tragödie, „den größten Fehler meines Lebens“, nicht mehr hinwegkommt. Auch seine Ex-Frau Brigitte kommt zu Wort. 2017 stellt sich Kammerlander nach 26 Jahren erneut dem Berg – und dem nie verwundenen Verlust seiner beiden Freunde bei seiner Erstbesteigung.
Spannend, nervenaufreibend, absolut sehenswert!
Tanja Schleyerbach
Verrückt nach Angelika Kauffmann…
Verrückt nach Angelika Kauffmann. – Herausgeberin: Bettina Baumgärtel. – München: Hirmer, 2020. – 208 Seiten
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Beispiellose Karriere einer Malerin im 18. Jahrhundert
Als Tochter eines Malers begann Angelika Kauffmann sehr früh, künstlerisch tätig zu werden. Als Frau in einem männerdominierten Umfeld, erlebte sie eine beispiellose Karriere als klassizistische Porträt- und Historienmalerin in London und Rom. Kaiser und Könige zählten zu ihren Kunden. In ihrem Haus verkehrten Herder und Goethe, die sie auch porträtierte. Um der großen Nachfrage nach Porträts nachzukommen, rationalisierte die tüchtige Geschäftsfrau sogar ihre Arbeitsprozesse. In ihren Gemälden griff sie Modeströmungen der Zeit auf (z.B. kleidete sie Frauen in türkische Gewänder), stieß aber auch selber neue Modetrends an. Bereits zu ihren Lebzeiten (1741-1807) war sie ein Mythos. Ein neuer prachtvoller Bildband zeigt ihre wichtigsten Werke und beschreibt ihr ungewöhnliches Leben. Eine bemerkenswerte Frau, die man kennenlernen sollte.
Maria Weber
Bewegende Weltreise zu religiösen Heiligtümern und Bräuchen
Hüter der Heiligen Stätten. Die spirituelle Bedeutung von Heiligtümern. – Regie: Matt Barrett. – BBC, 2020. – 1 DVD. – 150 Minuten
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In der dreiteiligen BBC-Dokumentation werden bekannte und unbekanntere Kultstätten verschiedener Religionen und Menschen, für die diese Heiligtümer eine große Bedeutung in ihrem Leben haben, vorgestellt. Beeindruckend, wie in Angkor Wat / Kambodscha Fassadenkletterer die herauswachsenden Büsche bis in die Spitze der Türme kappen, wie die große Lehm-Moschee in Djenne / Mali von vielen fleißigen Händen jedes Jahr saniert wird, wie eine fünf Tonnen schwere Marienstatue durch Malagá getragen wird, wie eine missbrauchte Jesidin an den heiligsten Ort ihrer Religion zurückkehrt, um wieder in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen zu werden, oder wie Shinto-Gläubige ein aufwändiges Ritual zelebrieren, das die bösen Geister für ein weiteres Jahr von ihrem Land fernhalten soll.
Spirituelle Rituale und Orte rund um den Globus werden lebendig und eindrücklich vorgestellt.
Tanja Schleyerbach
Russische Literaturgeschichte mal anders
Kaminer, Wladimir: Tolstois Bart und Tschechows Schuhe. Streifzüge durch die russische Literatur. Über Leben und Werk von Fjodor Dostojewski, Leo Tolstoi, Anton Tschechow, Michail Bulgakow, Wladimir Majakowski, Vladimir Nabokov und Daniil Charms. – München: Wunderraum, 2018. – 272 Seiten
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Immer wieder erstaunlich, wie die russischen Autoren bei uns in der Stadtbibliothek Reutlingen gelesen werden. Sonst sind die Klassiker „solala“ gefragt, aber die russischen Schriftsteller mit ihren oft umfangreichen Werken stellen da eine Ausnahme dar. Woher kommt das? „Mit nichts lässt sich Heimweh besser bekämpfen als mit der großen russischen Literatur", erklärt Wladimir Kaminer in seinem neuen Buch „Tolstois Bart und Tschechows Schuhe" – und er weiß, wovon er spricht. Seit der Bestsellerautor 1990 nach Deutschland kam, schreibt er humoristisch, ironisch und manchmal sarkastisch über sein Leben als russischer Einwanderer und über die Charakteristika der russischen und deutschen Seelen. Schriftsteller/innen in Russland waren – laut Kaminer – fast so etwas wie frühe Popstars und gehören wohl zur russischen Identität dazu. Jetzt hat der Autor deren Lebensläufe neu aufgemischt und mit vielen Anekdoten eine Literaturgeschichte geschrieben, die für alle Kaminer-Fans und literarisch Interessierte ein humorvolles Vergnügen ist.
Andrea Däuwel-Bernd