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Gekonnt erzählt, raffinierte Wendungen – ein psychologischer Roman, den man nicht aus der Hand legen mag
Merchant, Judith: Schweig. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2021. – 346 Seiten
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Am Tag vor Heiligabend fährt Esther mitten im Schneesturm ihre Schwester besuchen, um ihr ein Geschenk zu Weihnachten zu überreichen. Nach einem Glas Wein geraten die Schwestern aneinander und die Situation eskaliert.
Merchant lässt in ihrem neuen psychologischen Spannungsroman zwei unzuverlässige Erzählerinnen gegeneinander antreten.
Perfekt zur Weihnachtszeit und wohl eins der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe... wenn nicht sogar das Beste!
Katrin Grießinger
Zum Welttag der Philosophie
Philosophiefragen für alle: aktuell, witzig und charmant
Hershovitz, Scott: Der Sinn von allem oder zumindest fast. – München: Ludwig, 2022. – 447 Seiten
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Philosophie ist anstrengend? Verstaubt? Etwas für Vergeistigte? Nichts von alledem ist in Hershovitz Scotts Buch zu finden. Gut, es geht bei manchen Themen in eine Tiefe, der ich nicht bis ins kleinste Detail gefolgt bin. Aber die meiste Zeit schafft Hershovitz es, mit Witz, Charme und unter Einbeziehung der Alltagsfragen und Proteste seiner beiden Söhne, philosophische Themen in einer spannenden, zeitgemäßen und äußerst unterhaltsamen Weise zu betrachten. In drei Großkapiteln geht es um das Verständnis von Moral, uns selbst und der Welt. Fast immer sind es ganz praktische Beispiele aus dem Alltag und den Dialogen mit seinen Kindern, anhand derer spielerisch philosophische Grundprinzipien wie beiläufig erörtert und erläutert werden. Die gewählten Themen sind divers und sowohl zeitlos wie auch aktuell: Recht, Rache, Strafe, Autorität, Geschlecht, Gender, Rassismus, Sport, Verantwortung, Erkenntnis, Wahrheit, Geist, Unendlichkeit und Gott. Nicht alle Kapitel sind für jede/n gleichermaßen spannend und können ohne Verlust überblättert werden. Widerspruch und selbst Denken sind ausdrücklich erwünscht. Hauptsache, man folgt nicht blind einer vorgegebenen Meinung, auch nicht der des Autors. Das tut gut in Zeiten von Fake News und Informationsblasen. Am Ende fügt der Autor einen Leitfaden zur philosophischen Erziehung an.
Die Lektüre ist mit Erkenntnisgewinn und immer wieder einem Lächeln sehr zu empfehlen!
Tanja Schleyerbach
Von Wölfen und Menschen
McConaghy, Charlotte: Wo die Wölfe sind. – Frankfurt am Main: Fischer, 2022. – 429 Seiten
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Nachdem mich bereits McConaghys Debüt „Zugvögel“ überzeugt hatte, griff ich auch bei ihrem neuen Roman zu. Auch hier spielen die Natur, ihre bedrohten Tierarten und die Bedrohung durch den Klimawandel wieder eine entscheidende Rolle. Inti Flynn ist Biologin und betreut ein Forschungsteam in Schottland, dessen Ziel es ist, die Highlands zu renaturieren, in dem es ihnen gelingt Wölfe dort anzusiedeln. Doch die Dorfbewohner und Bauern sind skeptisch, fürchten um sich und ihr Weidevieh und stellen sich dem Projekt entgegen.
McConaghys Beschreibungen der Wölfe, ihres Wesens und der Verbundenheit Intis zu ihnen und der Natur, sind sehr anschaulich und eindringlich. Die Spannung kommt ebenfalls nicht zu kurz. Inti kämpft nicht nur gegen die Anfeindungen der Einheimischen an, sondern auch mit ihrer eigenen Vergangenheit. Auch der neue Roman der australischen Autorin hat mich überzeugt und ist absolut lesenswert!
Lisa Roth
Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich eine andere
Morgenstern, Erin: Das sternenlose Meer. – München: Blessing, 2020. – 638 Seiten
Titel verfügbar? Reading Challenge - RTRC22 fiktive Welt
"Tief unter der Erdoberfläche, fernab von Sonne und Mond, am Ufer des sternenlosen Meers, liegt eine labyrinthartige Ansammlung von Tunneln und Räumen, die voller Geschichten sind. Geschichten, die in Büchern stehen, in Einweckgläsern stecken und an Wände gemalt sind."
Eigentlich arbeitet Zachary an seiner Promotion, doch er kommt nicht weiter. Denn immer, wenn er in der Bibliothek ist, sucht er ein Buch auf, das zwischen den Regalen versteckt liegt. Ein Buch, in dem er eines Tages eine Schilderung seiner eigenen Kindheit findet. Auf der Suche nach dem Geheimnis dieses Buches entdeckt Zachary eine unterirdische Welt voller Bücher am Ufer eines sternenlosen Meers, wo er schließlich eine Verschwörung aufdecken muss.
Auch wenn ich eine Zeit lang nicht so ganz sicher war, in welche Richtung und auf welches Ende hin sich die Geschichte entwickeln würde, was auch an den mehreren Nebenhandlungen lag, so werden diese doch schlussendlich alle mit dem Hauptstrang zusammengeführt. Eine märchenhafte, rätselhafte Geschichte, manchmal schwer zu fassen und verwirrend, aber sehr atmosphärisch und sich ständig ändernd und darum auch gar nicht so einfach zu beschreiben. Weniger ein Buch für zwischendurch, als eines, für das man sich gezielt Zeit nehmen sollte, um es angemessen zu genießen. Also eventuell genau richtig für nahende kältere Tage, an denen man sich lieber Zuhause an einem neuen Buch wärmen mag.
Meike Heber / Praktikantin
Kluger Ratgeber für eine reifende Eltern-Kind-Beziehung
Otto, Anne: Für immer Kind? Wie unsere Beziehung zu den alten Eltern erwachsen wird. – Hamburg: Edition Körber, 2022. – 280 Seiten
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Das Thema älter werdende Eltern, Pflege und die sich auch dadurch ändernde Beziehung zu den Eltern ist für viele Menschen relevant. Anne Otto lässt die „Kinder“ der Eltern zu Wort kommen und berichten, welche Strategien sie für sich und die Beziehung entwickeln, woran sie scheitern und wie sie weitergehen. Verschiedene Modelle und Phasen der Pflege werden vorgestellt und mit praktischen Tipps anschaulich gemacht. Dabei gibt es nicht den einen Weg, immer muss individuell eruiert werden, welche Beziehungs- und Pflegephase und welches Lebensmodell welche Anpassung erfordert. Selbstbestimmung, Grenzen setzen, Hilfe organisieren und sich selbst suchen, Kommunikation, Transparenz, Einbeziehung der Familie, von Freunden, Nachbarn, die letzte Lebensphase oder auch Beziehungen, die nur aus der Ferne geführt werden können, werden in dem klugen Ratgeber lebenspraktisch thematisiert.
Tanja Schleyerbach
Hier gibt es keine Gewinner
One Of These Days. – Regie: Bastian Günther. – Leipzig: Weltkino Filmverleih GmbH, 2022. – 1 DVD. – 116 Minuten
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Die Haupthandlung des Films ist schnell erzählt: Ein Autohaus in der texanischen Provinz veranstaltet jedes Jahr einen Wettbewerb. 20 Personen stehen um einen Pick‑up Truck herum und berühren ihn mit der Hand – Tag und Nacht. Wer am längsten durchhält, gewinnt den Truck.
Taugt das als Inhalt für einen knapp zweistündigen Film? Unbedingt! Bastian Günther (Regie und Drehbuch) zeichnet ein bitterböses Bild der amerikanischen Gesellschaft. Das Autohaus und der lokale Fernsehsender inszenieren den Wettbewerb zu einem volksfestähnlichen Spektakel – alles natürlich zum Zweck der Umsatzsteigerung. Im Mittelpunkt der Handlung steht der junge Familienvater Kyle, gespielt von Joe Cole (manchen vielleicht aus der Serie "Peaky Blinders" bekannt). Kyle glaubt fest daran, dass der Gewinn des Trucks einem Start in ein besseres Leben gleichkäme. Mobilität ist in den USA das A und O. Umso mehr, wenn es wie bei Kyle und seiner Frau nötig ist, gleich mehreren prekären Beschäftigungen nachzugehen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Ein neues Auto also als Aufstiegsversprechen? Wohl kaum. Ein Wettbewerbsteilnehmer bringt es auf den Punkt, als er zu Kyle sagt: "Selbst wenn du den Truck gewinnst - du bleibst trotzdem der Idiot, der tagelang am Truck stand, weil er es sich nicht leisten kann, einen zu kaufen."
Ein Scheitern im Leben kann manchmal eines zu viel sein, ein Happy End ist nicht zu erwarten. Der Film, dessen Handlung auf einer wahren Begebenheit beruht, lässt einen noch lange nachdenklich zurück.
Sarah Trost