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Krieg im Römischen Reich
Sidebottom, Harry: Krieger Roms – Feuer im Osten. – Köln: Bastei Lübbe, 2021. – 557 Seiten
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Kürzlich war ich angetan von „Jagd durch Rom“ des britischen Autors Harry Sidebottom und hatte das Buch vor einigen Monaten empfohlen. Wie schön, dass ich dem Protagonisten Ballista jetzt wieder begegnen konnte. Eine weitere Geschichte ist ins Deutsche übersetzt worden und neu erschienen als Auftakt einer Trilogie.
Es sind unruhige Zeiten im Jahr 255 n. Chr. im Römischen Reich. Von allen Seiten stoßen die Feinde Roms vor, das Weltreich ist in der Dauerkrise. Sassanidenherrscher Shapur belagert Arete, eine römische Stadt im heutigen Syrien. Und Tribun Ballista soll die Festung verteidigen. Auftakt für grandiose Abenteuer mit detailreichen militärhistorischen Beschreibungen. Ich mag in historischen Romanen umfangreiche Glossare, Listen der handelnden Personen und vor allem fundierte Literaturhinweise. Der Militärhistoriker Sidebottom bietet viel davon und zudem eine Story, die fiktionale und reale Ereignisse spannend vermischt.
Andrea Däuwel-Bernd
Roadtrip statt Suizid
Ronja von Rönne, Ronja: Ende in Sicht. – München: dtv, 2021. – 250 Seiten
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Hella Licht, 69 Jahre alt, von Beruf Schlagersängerin - leider eher ein gealtertes One-Hit-Wonder - hat genug vom Leben. Deshalb macht sich mit ihrem klapprigen Passat auf den langen Weg in die Schweiz, um zu sterben. Kaum auf der Autobahn, plumpst Juli in ihr Leben. Die 15-Jährige wollte mit einem Sturz von einer Autobahnbrücke ihrem Leben ebenfalls ein Ende bereiten. Wie sich herausstellt - mit geringem Erfolg. Da sie sich nur leicht verletzt, steigt sie prompt zu Hella ins Auto und für die beiden beginnt ein besonderer Roadtrip durch Deutschland. Auf der Reise stellen sie fest, dass sie trotz einiger Kabbeleien mehr Gemeinsamkeiten haben als sie zugeben wollen.
Das Buch ist durchzogen von einem lockeren Schreibstil und viel Witz. Ernste Thematiken wie Depressionen und Suizid werden auf skurrile Weise in eine emotionale und berührende Geschichte zweier Frauen verwoben. Ronja von Rönne schafft es durch leicht schrägen Humor und Sarkasmus die Lesenden zum Lachen und Weinen zu bringen.
Margaux Haun
Zeitmanagement neu denken und so die Seite wechseln –
vom Stress zur Ressourcennutzung
Blatter, Ivan: Arbeite klüger - nicht härter! So holen Sie das Beste aus Ihrer Zeit, ohne sich auszubeuten: Methoden und Tools für ein neues Zeitmanagement. – Hannover: Humboldt, 2019. – 196 Seiten
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Wer wünscht sich das nicht: effizient, zeitnah, stressfrei und zielgerichtet arbeiten, Aufschieberitis auflösen. Stolpern Sie auch beim Zeitmanagement über die Hürde der „Prioritäten setzen“? ABC – dringlich – wichtig – nicht dringlich, aber wichtig…
Bei rationalen Menschen klappt das traditionelle Zeitmanagement meist. Kreative oder leicht chaotische Menschen haben Mühe die strukturierten, streng logischen Methoden langfristig umzusetzen. Natürlich werden diese vorgestellt, jedoch auch viele kleine Tipps, die helfen können den Tag ganz einfach nebenbei zu planen. Gutes Zeitmanagement beginnt im Kopf und das große Ziel ist, den eigenen Tagesrhythmus kennenzulernen um sich so zu organisieren, dass für die gerade anstehende Aufgabe die optimale Leistung abgerufen werden kann.
Lernen Sie durch die eigene Stärke mit gegebenen Anforderungen besser umgehen zu können, die eigene Zufriedenheit zu steigern und die Motivation zu behalten – mit neu angeeigneten Gewohnheiten.
Es ist das hilfreichste Buch, das ich bisher zum Thema „Zeitmanagement“ gelesen habe.
Stefanie Krohmer
Am zweiten Stern rechts, und dann immer gerade aus!
Henry, Christina: Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland. – Penhaligon Verlag: 2021. – 368 Seiten
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So kennen die meisten den Weg nach Nimmerland. Doch den nutzte Peter nicht schon immer. Erst seit sich sein erster und bester Freund von ihm getrennt hat, wobei er doch alles getan hatte, um ihn bei sich zu halten und den anderen Weg zu zerstören.
Die Geschichte von Christina Henry liefert Hintergrundwissen zum Erzfeind von Peter Pan, Kapitän Hook, und geht der Frage auf den Grund, wie es sein kann, dass Peter nie erwachsen wird.
Trotz der etwas düsteren Stimmung und der komplett anderen Darstellung von einer eigentlich bekannten Geschichte, habe ich es in wenigen Tagen verschlungen und wäre gerne mal selbst ins Nimmerland gereist.
Jana Groß
Mehr als Krimi
Sallis, James: Sarah Jane. – München: Verlagsbuchhandlung Liebeskind, 2021. – 217 Seiten
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Wenn man einen Lieblingsverlag haben kann, dann wäre mein Favorit die kleine aber feine Verlagsbuchhandlung Liebeskind. Sie überrascht immer wieder mit ungewöhnlichen und lesenswerten Titeln. Zuletzt gelesen „Willnot“ und jetzt „Sarah Jane“, beide von James Sallis. Die Erwartungen an einen schnell konsumierbaren Thriller oder Krimi haben sie nicht erfüllt und trotzdem war ich ganz und gar nicht enttäuscht, im Gegenteil. Intelligent und hintergründig entwickelt der amerikanische Autor seine Geschichten. Morde bleiben auch mal ungeklärt und Fragen unbeantwortet, zwischen den Zeilen findet man Hinweise.
In „Sarah Jane“ kommt eine Frau aus dem Irakkrieg zurück, jobbt in Restaurants, hat eine Reihe von kaputten Beziehungen und landet irgendwann in einer Kleinstadt, wo sie sich als Polizistin bewirbt. Und dort holt sie ihre Vergangenheit ein.
Kraftvolle Spannungsliteratur!
Andrea Däuwel-Bernd
Rassismus in Christentum und Kirche
Sarah Vecera: Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus. – Patmos Verlag, 2022. – 199 Seiten
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Rassistisch, das sind doch, wenn überhaupt, die anderen. Rassismus, das gehört in eine längst überwundene dunkle Vergangenheit oder passiert in Kreisen, zu denen ich auf gar keinen Fall gehöre. Leider falsch gedacht. Ich habe mich oft genug bei der Lektüre ertappt gefühlt.
Sarah Vecera, Tochter einer deutschen Mutter und eines pakistanischen Vaters, wächst in Oberhausen in einer christlichen Familie und Gemeinde bei ihren Großeltern auf. Seit 38 Jahren erfährt sie Alltagsrassismus, mit dem sich die studierte Theologin innerkirchlich seit 10 Jahren beschäftigt und über den sie seit 2 Jahren öffentlich redet. Sie musste erst lernen, Worte zu finden, um ihre Erfahrungen und Gefühle auszudrücken. Der Weg dorthin war lang und schmerzhaft, und sie sieht die Kirche und Gesellschaft diesbezüglich am Anfang eines Marathonweges. Sarah Vecera analysiert verinnerlichte Vorstellungen und Sprache, selbstverständliche Normen, reflexhafte Verhaltensweisen und verfestigte weiße Strukturen. Sukzessive nimmt sie die Leser/innen immer tiefer in das System hinein: wie ein PoC (People of Color) sich von Kind an fühlt und wie sie gelernt hat, besser und unauffälliger als andere sein zu müssen, um dasselbe oder weniger zu erreichen und gleichberechtigt anerkannt zu werden. Wie sie immer erfolgreicher darin wird, rassistische Bemerkungen als solche zu benennen und aufgehört hat, sie wegzulächeln und zu übergehen.
Vecera geht auf die Erfindung der Menschenrassen und den Rassismusbegriff im Allgemeinen und geschichtlich ein und grenzt ihn gegen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass ab. Anhand von anschaulichen Beispielen wird vieles deutlich. Kolonialismus, Versklavung und Missionare kommen zur Sprache – ein unerträgliches Kapitel. Aber auch Hegel und Kant, Kirchenlieder und eine weiße Theologie kommen zu Wort und öffnen die Augen über selten reflektierte Aussagen. Die Lektüre dieser Beispiele gehen nahe.Sie benennt die Kirchengeschichte und die internationale Ökumene als subjektiv und eurozentristisch. Ihre Analyse gipfelt in die Frage des Titels, wie der PoC Jesus, dessen Physiognomie in etwa der der heutigen Menschen im Irak entsprochen haben soll, zu einem weißen europäischen Menschen wurde. Einen wichtigen Aspekt bringt sie gegen Ende des Buches zur Sprache: es geht nicht darum, dass Weiße sich gut fühlen, indem sie anderen helfen, sie vermeintlich retten oder in Afrika ein Patenkind unterstützen (White Savior-Komplex). Von Herzen geben und die Menschen vor Ort selbst entscheiden lassen, wofür sie das Geld ausgeben und wie sie damit ihre Strukturen aufbauen, ist der einzige Weg, modernen Kolonialismus zu überwinden. Vecera verdeutlicht, dass Rassismus alle Menschen betrifft: die, die ihn erfahren und die, die ihn oft unbemerkt anwenden und verfestigen. Genau deswegen ist es wichtig, darüber gemeinsam ins Gespräch zu kommen, einander zuzuhören und zu verstehen, in welchem Gewand er auftritt, wie ungerecht er ist und wie zerstörerisch er wirkt.
Bemerkenswert ist, dass sie trotz aller Erfahrungen und Rückschlägen an ihrer Kirche festhält und mit einem unerschütterlichen Glauben für ihren Traum arbeitet, gerade die Kirche zu einem Ort werden zu lassen, an dem Schmerzhaftes aufgedeckt, Schuld anerkannt und wiedergutgemacht wird. Sie spricht von Reparationen und auch von der Befreiung, immer weniger rassistisch zu denken, zu sprechen und zu handeln. Und sie nimmt die Illusion, sie müsse, weil sie den Rassismus benannt hat, dazu auch noch den richtigen Weg aus diesem Gefängnis präsentieren.
Ein mutiger, unbequemer, erschütternder, ermutigender und niemals polemischer Beitrag, um dieses wichtige Thema gesellschaftlich und innerkirchlich nicht länger zu übergehen.
Tanja Schleyerbach