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Öko-Wissenschaft auf Weltreise
Chatelperron, Corentin de: Sailing for future. Mit Low-Tech und Low-Budget um die Welt. – Bielefeld: Delius Klasing, 2020. – 240 Seiten
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Es klingt wie der Beginn einer Abenteurergeschichte: „An einem Winterabend läuft die Nomade des Mers aus dem Hafen von Concarneau aus“. An Bord ist ein Weltverbesserer auf der Mission, Hilfe durch Selbsthilfe mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Der Franzose Corentin de Chatelperron ist Ingenieur und trifft Erfinder in aller Welt, deren Projekte und Techniken sich durch Umweltbewusstsein auszeichnen und zum Nachmachen auffordern: einfache Funktion, einfache Herstellung, einfache Bedienung, zusammengefasst als Lowtech bezeichnet. Einfache Reparatur nicht zu vergessen. Science for future also. Auch wer sich wie ich wissenschaftlich-technisch nicht wirklich auskennt – die Zeichnungen sind aber sehr hilfreich – hat einfach Spaß am Zukunftsoptimismus und der alltagsnahen, improvisierten Suche nach Lösungen und fiebert mit, wenn den Hühnern Marvin, Camille, Chab und Amandine an Bord etwas fehlt. Immer wieder deutlich wird die Wertschätzung von Wissen, das oft aus Notlagen generiert und von Leuten wie Abdoulaye gepflegt wird. Dieser arbeitet im „Tagebau der Dinge“ in Mali und im Senegal. Die einen würden es Müllkippe nennen, die anderen sehen darin ein Wiederverwertungsparadies. Genauso wichtig wie die Reparaturen ist ihm aber die Weitergabe des Wissens an junge Leute.
Viele Fotos, O-Töne im Tagebuchstil und anschauliche Beschreibungen der Begegnungen (mit Menschen, Tieren, Naturgewalten) und Herausforderungen auf See machen die Buchgestaltung lebendig, und so ist der wissenschaftliche Inhalt sozusagen „leichtes Gepäck“ für Leser/innen, die sonst gerne zu Ohne-Flugzeug-ohne-Geld-um-die-Welt-Titeln oder zu Weltverbessern-für-Anfänger-Selbstversorgung-mit-eigenem-Federvieh-Ratgebern greifen.
Nur schade, dass die Arte-Sendungen zur Reise inzwischen nicht mehr in der Mediathek zu sehen sind.
Hier wenigstens ein filmischer Eindruck vom Buch auf www.litvideoserver.de
Jutta Zimmermann
Das erste Kuhaltersheim
Butenland. Regie: Marc Pierschel. – Deutschland, 2020. – 1 DVD. – 82 Min.
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Jan Gerdes erbt den konventionellen Bauernhof seines Vaters und stellt sofort auf Biolandwirtschaft um. Einige Jahre betreibt er den Demeterhof, bis er sich immer unwohler damit fühlt, die Tiere als Nutzvieh zu halten. Ein Burnout bringt ihn dazu, alle Tiere zu verkaufen, ihr Fleisch wird zum Nahrungsmittel für Menschen. Die Milchproduktion warf nicht mehr genug ab, jährliche Steigerungen sind auch in jedem Biolandbetrieb unumgänglich. Und auch hier werden Tiere zu Produktionsmaschinen für billige Lebensmittel, werden Kälber nach einer kurzen Zeit ihren Müttern entzogen. Denn: Prall gefüllte Euter sieht man nicht, wenn Kälber bei ihren Müttern gelassen werden und im natürlichen Lebensrhythmus „abgestillt“ werden.
Jans Tiere gehen den Weg in den Schlachthof – alle bis auf 12 Rinder. Mit ihnen hat er anderes vor: Zusammen mit der ehemaligen Tieraktivistin Karin Mück setzt er mutig seine neue Idee um – ohne Netz und doppelten Boden, ohne zu wissen, wie es funktionieren kann. Das erste Kuhaltersheim entsteht, ein Lebenshof für Tiere, mit denen die Menschen auf Augenhöhe leben. Aber jede Kuh kostet zwischen 250 und 300 € pro Monat, die jährlichen Lohnkosten belaufen sich auf 150.000 €. Die beiden neu ausgebauten Ferienwohnungen und einige Spenden tragen dieses Projekt nicht. Jan und Karin gründen eine Stiftung, die es den „Aussortierten“ Paul, Lillja, Uschi und vielen anderen Tieren erlaubt, jenseits des kommerziellen Nützlichkeitsaspekts einen Lebensabend in Würde und Freiheit in einem friedlichen Miteinander von Mensch und Tier zu erleben. Täglich kommen neue Anfragen, aber Jan und Karin haben ihr Limit auf 45 Kühe und Rinder gesetzt. Mehr können sie nicht retten. Nur wenn eines ihrer Tiere stirbt, wird Platz für ein neues frei. Die Kriterien sind überaus schwierig, und die beiden machen sich die Entscheidung nicht leicht. „Der Film stellt die bewegenden Schicksale der Tiere in den Vordergrund, welche sonst in den Regalen der Supermärkte verborgen bleiben. Er zeigt auch auf, an welche Grenzen Jan und Karin stoßen, wenn sie versuchen Tiere zu retten, und dass ein Lebenshof neben vielen schönen Momenten mit den Tieren vor allem eines bedeutet: harte Arbeit.“
Marc Pierschel begleitet auch den Prozess des Abschiednehmens von Paul. Eine Operation ist für Rinder nicht vorgesehen, und so wird er nach einem Prozess des Abschiednehmens eingeschläfert und zur Tierkadaververwertung abtransportiert. Es gibt Vorschriften, denen sich auch ein Gnadenhof nicht entziehen kann. „Sie haben ja Recht, aber dieser Fall ist im System nicht vorgesehen“, lässt eine Veterinärärztin die beiden wissen. Besonders beeindruckend ist es, die Rinder auf der Weide miteinander spielen und toben zu sehen und ihre besonderen Charaktere wahrzunehmen und kennenzulernen. Wie Menschen auch ist jedes eine eigene Persönlichkeit. Im krassen Gegensatz dazu werden die Haltungsbedingungen eines modernen Viehbetriebs und die Leistungsschauen der Besten gezeigt. Die Herdentiere wirken wie nicht sie selbst, wenn sie einzeln unter hoher Stressbelastung vorgeführt oder nebeneinander eingepfercht sind. Rinder nehmen schneller und demütiger als andere Tiere hin, was Menschen ihnen antun.
Eingeflochten in die Geschichte des Butenhofes sind Karins Erfahrungen als militante Tierschutzaktivistin, Erinnerungen an eine Zeit, in der sie mit Weggefährten gewaltsam in Tierversuchsanstalten eingedrungen ist und die Tiere daraus befreit hat. Entsetzliche Bilder von Tierversuchen und gequälten Tieren sind zu sehen. Karin und ihre Weggefährten wollten ein Haus für Tierversuche abbrennen, noch bevor es in Betrieb genommen werden konnte. Dafür wurde sie der Gründung einer terroristischen Vereinigung angeklagt und in Einzelhaft genommen. Ihre Strafe wurde jedoch – wie die der anderen – auf Bewährung ausgesetzt. Rückblickend reflektierend sind alle zu Wort kommenden Aktivisten der Meinung, damals ethisch richtig gehandelt zu haben.
Zwei Jahre hat Marc Pierschel dieses besondere Projekt begleitet und die Interviews eingefangen. Eine nachdenklich und manchmal auch traurig machende Dokumentation, die lange nachwirkt.
Tanja Schleyerbach
Brockhaus: Papier ist out, digital ist in
B - Brockhaus NE. Online-Ressource der Stadtbibliothek Reutlingen
Weiter zu Brockhaus NE - Anmeldung mit gültigem Bibliotheksausweis
Früher stand der Brockhaus als gewaltiges Lexikon in jeder Bibliothek. Mit über 30 Bänden, kleingedruckten Lexika-Artikeln, Goldschnitt, Ledereinband wirkte er auf Schüler/innen fast schon furchteinflößend. Heute gibt es ihn so nicht mehr. Stattdessen: ein schlankes und modernes Online-Nachschlagewerk, das rund um die Uhr geprüfte und seriöse Informationen zu allen Wissensgebieten enthält. Als digitales Nachschlagewerk bietet die Brockhaus Enzyklopädie einen einfachen Zugang zum Wissen der Welt – und Recherchemöglichkeiten, die kein gedrucktes Werk bieten kann. Thematisch verwandte Stichwörter, Literaturhinweise, Quellentexte und ausgewählte Links vertiefen die über 260.000 Lexikonartikel.
Und vor allem ist der Brockhaus online viel schülerfreundlicher geworden. Der in der Browserversion direkt anwählbare Bereich Schulthemen enthält eine Menge an Informationen, die sich am Lehrplan orientieren: Strukturierte und verständliche Artikel, die das Wichtigste zu einem Thema enthalten und durch Bilder, Illustrationen, Karten sowie Tabellen ergänzt werden. Die Inhalte eignen sich für lebendige Referate und Hausarbeiten oder zur Vorbereitung auf den Unterricht. Die mobile Version ist etwas einfacher gehalten und bietet keinen direkten Zugang für die Schulthemen, sie sind aber dort über Stichworte abrufbar.
Andrea Däuwel-Bernd
Wissenswertes aus der Medizin für Nichtmediziner
Medizin in 30 Sekunden. Meilensteine der Diagnostik und Therapie. – Hrsg. von Gabrielle M. Finn. – Köln: Verlag Librero, 2020. – 160 Seiten
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Was passiert bei einer Bluttransfusion? Wie funktioniert ein MRT? Und wofür sind Protonenpumpenhemmer gut? Diese und viele andere Fragen zu Krankheitsbildern, Diagnostik, Therapie und Pharmazie werden in dem Buch „Medizin in 30 Sekunden“ beantwortet. Hier erfahren Sie, kurz und verständlich dargestellt, das Wichtigste zu allen möglichen Themen; jeder Begriff wird auf zwei Seiten erklärt. Porträts von Pionieren der Medizin runden den Band ab. Mir als Laie hat es Spaß gemacht, in dem sehr gut bebilderten Buch zu blättern und den einen oder anderen Artikel zu lesen. Jetzt weiß ich, dass Alexander Fleming den Wirkstoff Penicillin entdeckt hat und seit wann Prothesen (künstliche Gliedmaßen) hergestellt werden.
Ulrike Dahl
Mondgeschichten
Büker, Michael: Was den Mond am Himmel hält: der etwas andere Streifzug zu unserem kosmischen Begleiter. – llustrationen: Tanja Wehr. – Stuttgart: Franckh-Kosmos, 2019. – 128 Seiten
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„Ich seh' den Mond vor lauter Kratern nicht.“
Fragen über Fragen, die wir uns vielleicht nie gestellt haben, werden in Michel Bükers unterhaltsamem Buch über den Mond beantwortet. Wie warm oder kalt ist es dort, was kann man dort hören und sehen, gibt es dort Leben, wie kam der Mensch auf den Mond, wann wird die nächste Mondlandung sein, warum ändert der Mond sein „Gesicht“, wie sieht die Mondrückseite aus, und woher kommt der Mond überhaupt? Der Mond am Himmel und im All, als Ding und als Ziel und der Mond der Zukunft wird eingehend beleuchtet. Spannend sind die im Plauderton gegebenen Antworten, die, mit Tanja Wehrs Illustrationen angereichert, durchaus anspruchsvoll ausfallen. Ein geniales Duo hat sich hier gefunden: der Astrophysiker und Friedensforscher und die Kunsthistorikerin, Grafikerin und Sketchnoterin. Die Illustrationen veranschaulichen auf witzige und einprägsame Weise, was als nüchterne Fakten nicht immer ganz einfach zu verstehen ist. Mit Hilfe von eingängigen Vergleichen und Kopfkino schafft Michael Büker es, komplizierte Sachverhalte gut komprimiert und verständlich zu erklären. Zwischendurch dürfen wir zur Erholung einen Mondspaziergang machen und erfahren, warum die „Monddiät“ unser Körpergewicht inklusive Gepäck auf 20 kg beamt. Am Ende des Buches sind wir mit Informationen zum Mond rundum versorgt, und belletristische Literaturtipps führen zu weiteren Spuren und Geschichten rund um unseren kosmischen Begleiter.
Tanja Schleyerbach
Abscheuliches Hörvergnügen!
Lowry, Lois: Die schreckliche Geschichte der abscheulichen Familie Willoughby (und wie am Ende alle glücklich wurden) / gelesen von Stefan Kurt. – Hamburg: Hörcompany, 2019. – 2 CD. – 156 Min.
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Das ist eine ganz altmodische Geschichte mit einer altmodischen Familie, altmodischen Kindern, einem altmodischen Haus, einem abscheulichen Kindermädchen. Selbstverständlich ist das abscheuliche Kindermädchen ein Glücksgriff und gibt es in dieser Geschichte ein Happy End, wie es sich so gehört. Aber bis dahin haben Timothy, die Zwillinge Barnaby A und Barnaby B und ihre kleine Schwester Jane so einiges durchzumachen, bis sie endlich Waisen sein dürfen. Die Geschichte der Willoughby-Geschwister liegt irgendwo zwischen Hochkomik und totaler Anarchie, ist chaotisch und traurig, liebevoll und böse, skurril und satirisch. Völlig überzeichnet und doch wie das Leben. Kinder und für Erwachsene, die die Geschichten von Roald Dahl und schwarzen Humor lieben, werden auch diese mögen.
Mit Stefan Kurt als Sprecher wird sie zum absoluten Hörvergnügen.
Andrea Däuwel-Bernd
Spannend wie ein Krimi – alte Familiendramen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse
Franz, Angelika: Tutanchamun. Leben, Tod und Geheimnis. – Frankfurt/M.: Fischer, 2017. – 351 Seiten
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Es war eine Weltsensation, als 1922 in Ägypten das Grab des Pharaos Tutanchamun mit seinen Schätzen entdeckt wurde. Doch längst sind nicht alle Geheimnisse um den altägyptischen Kindkönig gelüftet. Die Archäologin Angelika Franz berichtet kurzweilig und spannend über das Leben des Pharaos, die Frauen in seinem Umfeld, die Theorien über seine Abstammung, seinen Tod und natürlich über die spektakuläre Entdeckung seines Grabes. Nebenbei erfährt man, wie die alten Ägypter ihre Toten mumifizierten und beerdigten. Anhand neuer Forschungsergebnisse wird gezeigt, dass die berühmte Goldmaske sowie viele Grabbeigaben ursprünglich anderen Personen gehörten und nicht für Tutanchamun hergestellt wurden. Neueste Untersuchungen lassen vermuten, dass es in seinem Grab weitere – zugemauerte und deshalb bislang unentdeckte – Räume geben könnte: möglicherweise mit Nofretetes Mumie.
Maria Weber
Zeitgeschichte bewegend und spannend eingefangen
Morgen sind wir frei. Regie: Hossein Pourseifi. – Deutschland, 2020. – 1 DVD. – 97 Min.
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Im Jahr 1979 ziehen die Chemikerin Beate und ihr Mann Omid mit ihrer gemeinsamen Tochter nach dem Sturz des Schahs aus der ehemaligen DDR in dessen Heimat Iran. Die beiden sind voller Zuversicht, dass Beate dort beruflich durchstarten kann und Omid als Journalist und ehemaliger Dissident ebenfalls zum Aufbau des Landes beitragen kann. Er erhält die Chefredaktion einer Zeitung.
Doch die Revolutionsregierung wird zusehends brutaler und fanatischer, und die Schlinge der islamistischen Herrschaft zieht sich immer enger um Beate und ihre Tochter zusammen. Plötzlich tragen alle Kopftuch, und ihre Tochter wird wie sie selbst mit religiösen Vorschriften eingeengt. Mit ihrer Tochter ist es für Beate plötzlich unmöglich geworden, auf legalem Weg das Land zu verlassen. Der Satz „Morgen sind wir frei“ hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die iranische Gesellschaft ändert sich, und es ist nicht mehr möglich, frei seine Gedanken zu äußern. Omid verkennt die Gefährlichkeit der Situation und trifft eine Entscheidung, die seine Redaktion und ihn selbst in große Schwierigkeiten bringt. Die Geschichte nimmt kein gutes Ende und bewegt zutiefst.
Der aufrüttelnde Film wurde nach einer wahren Begebenheit gedreht, er bleibt lange in Erinnerung und ist ein Mahnmal für Wachsamkeit, Mut, Demokratie und Freiheit.
Tanja Schleyerbach
Gruseliges Lesevergnügen
Steinhauer, Eric W.: Büchergrüfte: Warum Büchersammeln morbide ist und Lesen gefährlich. – Darmstadt: wbg, 2014. – 144 Seiten
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Dass Lesen gefährlich ist, wussten wir schon. Aber warum ist Büchersammeln morbide? Unsere Kunden versichern glaubhaft und häufig, dass die Reutlinger Stadtbibliothek ihr Leseparadies sei. An Krankheit, Tod und Verfall denken sie nicht und es wird ihnen auch nicht unheimlich zwischen Regalen oder im Lesesessel. Doch der Schein trügt! Mit solchen Themen können Büchersammlungen durchaus etwas zu tun haben. Dieses unterhaltsame Sachbuch führt uns zu Leichen im Lesesaal, zu Bibliotheksbestattungen, Mumien und Körperteilen in bibliothekarischen Sammlungen. Auch Papier barg in vergangenen Jahrhunderten Gesundheitsrisiken. Todbringende Erreger nisteten in alten Folianten, Viellesen war ein Krankheitsbild und Autor/innen können auch mal langlebige Monster erschaffen.
Eine gruselige, aber höchst unterhaltsame Reise durch die Geschichte der Bücher.
Übrigens: Die Frage „Wie steht es denn um die Reutlinger Stadtbibliothek?“ können wir beantworten:
Auch wir haben eine Leiche im Keller ;-)
Andrea Däuwel-Bernd