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Das leise Sterben
Fleischhauer, Wolfram: Das Meer. – München: Droemer, 2018. – 443 Seiten
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Mafia und Fischfang – zwei Begriffe, die man nicht unbedingt sofort miteinander in Verbindung bringt. Dieser Öko-Thriller beschreibt erschreckend realitätsnah das komplexe und teilweise kriminelle Netz der globalen Fischindustrie. Die Rahmenhandlung bildet das Verschwinden einer Fischereibeobachterin auf einem spanischen Fangschiff. Ihre Freunde geben die Hoffnung nicht auf und versuchen das Schicksal von Teresa aufzuklären. In einem weiteren Handlungsstrang geht es um die Umweltaktivistin Ragna, die zusammen mit Verbündeten gegen die Zerstörung und Ausbeutung der Weltmeere kämpft und dabei zu drastischen Mitteln greift.
Der Autor arbeitet auch als Konferenzdolmetscher und ist daher mit den Abläufen in Brüssel und komplexen wirtschaftlichen und politischen Themen vertraut. Der Thriller stimmt nachdrücklich und ist gerade in Bezug auf die Nachhaltigkeitsdebatte sehr aktuell, da er beklemmend echt aufzeigt, wie zerstörerisch der Mensch mit dem Planeten umgeht.
Lisa Weber
Aktuelles Drama
Styx. / Regie: Wolfgang Fischer. – D/A, 2019. – 1 DVD. – 94 Min.
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Styx ist eine griechische Flussgöttin und ein Fluss der Unterwelt als Grenze der Lebenden zum Hades, dem Reich der Unterwelt, dem Totenreich.
Rike ist eine Kölner Notärztin, die in ihrem Urlaub mit ihrem Segelboot alleine von Gibraltar nach Ascension Island aufbricht. Sie entscheidet sich, trotz Unwetterwarnung weiterzusegeln, und hält Kontakt zu einem nahen Passagierschiff. Mitten im Unwetter trifft sie in unmittelbarer Nachbarschaft auf ein havariertes, vollkommen überladenes Fischerboot mit geflüchteten Menschen, die zu ertrinken drohen. Sie setzt die Notrufkette in Gang, doch ihre Hilferufe bleiben ungehört, sie wird vertröstet. Als Stunden später keine Rettung naht, trifft Rike Entscheidungen. Ein junger Afrikaner schafft es auf ihr Boot, und sie dreht ab. Es spielen sich menschliche Dramen ab – auf ihrem Schiff, im Meer, auf dem Fischerboot. Weiterhin naht keine offizielle Hilfe. Es kommt, wie es kommen muss, wenn diese ausbleibt. Alle Menschen ertrinken vor ihren Augen.
Wolfgang Fischer fängt die Situation und Stimmung auf dem Segelboot realitätsnah ein, der Film lebt von den Geräuschen, den Bildern, den fehlenden Worten. Er gibt keine Antworten und lässt den Zuschauer mit ungelösten, aktuellen politischen und moralischen Fragen zurück.
Nachdenklich stimmend und sehr sehenswert!
Tanja Schleyerbach
Ein Baumerlebnis für Gross und Klein
Wohlleben, Peter / Reich, Stefanie: Weißt du, wo die Baumkinder sind? – Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger, 2018. – 32 Seiten
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Bäume haben auch Kinder und das kleine Eichhörnchen Piet möchte diese kennenlernen. Der Förster Peter sitzt jeden Morgen auf der Bank vor seinem Haus und trinkt seinen Kaffee. Piet, das kleine Eichhörnchen, nähert sich ihm und scheint traurig zu sein. Der Förster hakt nach und Piet erzählt, dass alle Tiere eine Familie haben, nur er nicht. Peter will ihm zeigen, dass selbst Bäume Kinder haben und sie machen sich gemeinsam auf den Weg in den Wald. Es wird ein richtiges Abenteuer. Sie kommen tief in den Wald hinein, treffen eine Wolfsfamilie, sehen gefährliche Maschinen und begegnen Dirk, einem Freund von Peter, mit seinem Pferd. Inzwischen dämmert es und die beiden können nicht mehr zum Forsthaus zurückkehren. Sie übernachten daher im Wald. Am nächsten Tag verjagt Peter mutig einen gefährlichen Habicht. Es ist nicht so einfach, Baumkinder zu finden, aber sie begegnen immerhin zwei Menschen, die junge Nadelbäume einpflanzen, aber eine Baumfamilie ist nicht in Sicht. Erst im Buchenwald stehen silbergraue Stämme, Buchen, mit ihren frisch gekeimten Buchenkindern. Obwohl das Eichhörnchen begeistert ist, hat es immer noch keine Familie gefunden. Vielleicht kann Peter ihm helfen?
Peter Wohlleben ist Förster und Naturschützer mit Leidenschaft. In diesem Bilderbuch bringt er Kindern wunderbar den Wald nahe. Stefanie Reich hat das Bilderbuch hervorragend illustriert. Sie schafft es Bäume, Pflanzen, Tiere und Personen durch kräftige Farben und Formen lebendig werden zu lassen. Die Geschichte und die Illustrationen fließen sehr gut ineinander über und lassen den Wald für Kinder lebendig werden. Wenn das Bilderbuch gelesen ist, möchte man am liebsten gleich in den Wald aufbrechen. Ein Lesevergnügen für Groß und Klein.
Beate Reichmann
Strike – drei Romanverfilmungen
Strike – die komplette Serie: Der Ruf des Kuckucks. Der Seidenspinner. Die Ernte des Bösen. – Darsteller: u.a. Tom Burke, Holliday Grainger. – Warner Bros, 2018. – 2 DVDs. – FSK 16
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Sie laufen immer wieder durch die Straßen von London und sind auf der Suche nach Zeugen und Verdächtigen: der findige Privatdetektiv Cormoran Strike, gehandicapt durch eine unbequeme Beinprothese, und seine tüchtige junge Assistentin Robin. Zusammen lösen sie drei komplexe Mordfälle. Dabei entdeckt Robin ihre kriminalistischen Fähigkeiten, und zwischen ihr und Strike entwickelt sich ein ganz spezielles Verhältnis.
Die Verfilmung von drei Kriminalromanen, die J.K. Rowling unter dem Pseudonym Robert Galbraith schrieb, hält sich dicht an die Romanvorlagen. Die Filme fesseln den Zuschauer und ziehen ihn immer weiter in das Geschehen hinein. Eine gelungene Mini-Serie mit Suchtpotential.
Maria Weber
Fußpflege in Marzahn
Oskamp, Katja: Marzahn mon amour: Geschichten einer Fußpflegerin. – Berlin: Hanser, 2019. – 142 Seiten
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Katja Oskamp ist wahrscheinlich die einzige deutsche Schriftstellerin, die auch als Fußpflegerin arbeitet. In ihrer Geschichtensammlung „Marzahn, mon amour“ erzählt die Autorin berührend und komisch von ihren Kunden im Ost-Berliner Hochhausviertel und davon, wie sie deren Füße behandelt. Damit sind wir bei ihrem wunderbaren, lesenswerten Buch „Marzahn, mon amour“ angekommen. Kauernd vor ihren Kunden, „ganz unten bei den Füßen angelangt“, die nicht selten kaputt sind von dem Leben der kleinen Leute, verlieren die Menschen die Scheu und fangen an zu erzählen. Da ist Frau Guse, eine über 80-Jährige Ur-Berlinerin, mit der die Gespräche nach dem immer gleichen Dialogtanz ablaufen, der Marzahner Ureinwohner Herr Paulke, am ganzen Körper reparaturbedürftig, aber immer noch reiselustig, die Zustimmungskünstlerin Frau Blumeier mit ihrem Standardsatz „wollt ick grade sagen“, der ehemalige DDR-Bonze Herr Pietsch, der stramm die Welt erklären und die Fußpflegekraft anbaggern will und viele andere, meist ältere Bewohner des Hochhausviertels. Mit der gleichen Sorgfalt, die Katja Oskamp den Füßen zuteilwerden lässt, kümmert sie sich um deren schrundige, lädierte Lebensläufe. Sie hat ein Auge für die Marotten, ein sicheres Gespür für Situationskomik, vor allem aber hat sie ein großes Herz. Man ist immer wieder gerührt von der liebevollen, fast zärtlichen Anteilnahme, mit der sie ihrer zumeist alten, oft schon stark gehandicapten Stammkundschaft ein Denkmal setzt. Für einige wird der Fußpflegetermin auch deshalb zu einem Ereignis, weil sie noch einmal Nähe, Wärme und Berührung erfahren, die aus ihrem Alltag längst verschwunden sind.
Atmosphäre und Lebensgefühl enthält diese Geschichtensammlung aus dem Alltag der kleinen Leute in Ost-Berlin reichlich und deshalb: Unbedingt lesen!
Andrea Däuwel-Bernd
Ergreifende Biografie eines britischen Ehepaars
Winn, Raynor: Der Salzpfad. – Köln: DuMont, 2019. – 330 Seiten
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“Had I seen enough things? When I could no longer see them, would I remember them, and would just the memory be enough to fill me up and make me whole?... Could anyone ever have enough memories?”
Raynor Win packt mich gleich auf den ersten Seiten, ich bin mittendrin in ihrer Geschichte. Die Geschichte eines britischen Ehepaars mittleren Alters. Ray kauert mit ihrem Mann, Moth, unter einer Treppe ihres Hauses, sie verstecken sich vor den Gerichtsvollziehern (Männern in Schwarz). Diese sind gekommen, um ihre Farm für eingegangene Schulden einzulösen. Die beiden wissen: Sobald sie durch ihre Haustüre hinausgehen, sind sie obdachlos. Ray und Moth haben gemeinsam zwei Kinder großgezogen und die Farm mit eigenen Händen aufgebaut. Im Vertrauen auf einen Freund und durch einen Fehler beim Gerichtsverfahren, in dem sie sich selbst verteidigen mussten, haben sie allen Besitz verloren. Alles im Leben der beiden war in kürzester Zeit zusammengebrochen: Innerhalb einer Woche kam das Gerichtsurteil und Moths Krankheitsdiagnose: eine neurogenerative Erkrankung (CBD), die in absehbarer Zeit zum Tod führen wird.
Rays Wunsch ist es, in dieser Situation mit Moth den South West Coast Path zusammen zu laufen, mehr als 1.000 km und 35.000 Höhenmeter mit einem Budget von 48 Pfund pro Woche. Sie wagen es und brechen auf. Es ist eine spannende Reise und ein Weg, der die beiden zu allen existenziellen Fragen des Lebens führt. Obdachlosigkeit, Hunger und Durst, Kälte, unerträgliche Hitze und Regen, verbrannte Haut, das Gefühl, nicht mehr zur Gesellschaft zu gehören, die Krankheit, die ihren Tribut fordert, ein Vorankommen im Schneckentempo und auf dem ganzen Weg ablehnende, verurteilende, vorhersehbare, aber auch erstaunliche, wunderbare und humorvolle Begegnungen – Momente voller Glück. Ray nimmt mich mit in ihre Gefühlswelt und an den Rand des Erträglichen, sie beschönigt und verschweigt nichts. Bis zuletzt bange ich mit, ob die beiden es schaffen werden und wie es weitergeht. Es kommt der Winter, und es ist ihnen unmöglich, mit ihrem einfachen Zelt und den nicht winterharten Schlafsäcken den Weg fortzusetzen. Sie kommen auf der Farm einer „Freundin“ unter, doch schnell werden sie dort – in einer abhängigen Situation – als kostengünstige Arbeitskräfte eingesetzt. Ray arbeitet zwei Monate lang mit Schafscherern – eine harte Erfahrung. Mit dem ersparten Geld aus dieser Arbeit möchten sie nach der Fortsetzung und dem Ende des Weges in ein neues Leben durchstarten. Moth möchte studieren, beide wollen in eine Studentenbude ziehen und Ray Geld verdienen. Nach dem Winter und nachdem sie ihre vorübergehende Unterkunft unter großem Einsatz renoviert haben, werden sie von der „Freundin“ an die Luft gesetzt und setzen ihre Reise vom geplanten Zielort bis zum Ende ihrer letzten Etappe rückwärts fort. Das Buch endet mit ihrer Reise und den Plänen für das neue Leben. Angesichts von Moths lebensbedrohlicher und fortschreitender, auf dem Weg jedoch auch immer wieder besser werdenden Krankheit, ein weiterer lebensbejahender, Mut machender Schritt. Die beiden finden sich und ihre innige Liebe zueinander neu, schöpfen Kraft aus der Natur und werden bei allen Herausforderungen immer stärker. Die Naturbeschreibungen sind grandios. Ein Buch, das ich ungern aus der Hand gelegt habe: eine ergreifende Biografie!
Tanja Schleyerbach