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Sechs Schurken und ein edler Prinz
Buckingham, Royce: Die Glorreichen Sechs. – München: Blanvalet, 2010. – 575 Seiten
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Prinz Caspar ist beleidigt: Anstatt ihm einen Botschafterposten zu geben, hat ihn seine Tante, die Königin Nevea vom Land Hyak, zum Steuereintreiber ernannt! Als Anführer einer recht bunten Gruppe von hemdsärmeligen, vulgären Halsabschneidern muss er nun durch die Lande ziehen. Will seine königliche Tante ihn etwa loswerden? Die Chancen dafür stehen gut, denn sprechende Drachen, zahlungsunwillige Untertanen und geheimnisvolle Hexen machen ihm im neuen Job das Leben schwer. Aber Prinz Caspar hat so seine ganz eigenen Überlebensstrategien. Und schließlich wächst man mit seinen Aufgaben…
Echt flotter Fantasyroman mit Witz, Action, gewieften Charakteren, stimmiger Atmosphäre und einer zügigen Handlung. Als Einzelband wohltuende Abwechslung zu den vielen Reihen. Der Autor Royce Buckingham steht für humorvolle Fantasy-Unterhaltung, seine „Dämonen-Reihe“ waren Bestseller und er kann mit skurrilen Einfällen und eloquentem Schreibstil die Leser/innen zum Schmunzeln bringen.
Andrea Däuwel-Bernd
Einblick in ein wenig bekanntes Kapitel der DDR-Geschichte
Und der Zukunft zugewandt. / Regie: Bernd Böhlich. – D, 2020. – 1 DVD. – 104 Min.
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„Wahrheit ist das, was uns nützt.“
Die Kommunistin Antonia Berger hat 10 Jahre – unschuldig verurteilt als „Stalins Feind“ – in einem sowjetischen Straflager verbracht, bevor sie 1952 zusammen mit ihrer lungenkranken Tochter und zwei weiteren Gefangenen mit allen Ehren in der DDR empfangen wird. Ihre Tochter bekommt medizinische Hilfe, sie selbst erhält eine Wohnung und Arbeit als Kulturbeauftragte, und sie glaubt nach ihren schlimmen Erfahrungen im Gulag wieder an ein gerechtes kommunistisches System. Antonia verliebt sich in den Hamburger Konrad, der fern von seiner Familie sein Leben als Arzt in Fürstenberg verbringt. Doch dieses neue Leben hat einen Preis: Die Frauen soll schweigen über ihre Zeit in der Sowjetunion und unterschreiben das Dokument für ihre Freilassung. Doch ihre Zweifel, ob diese Entscheidung richtig war, mehren sich. Ihrem Tagebuch vertraut die gebrochene Antonia, hervorragend gespielt von Alexandra Maria Lara, ihre Gedanken an. Immer widersprüchlicher erscheinen ihr die Machenschaften des DDR-Regimes, und das Verbot des Schweigens ist ihr nicht mehr erträglich.
Der auch in den Nebenrollen sehr gut besetzte Film bietet eine ansprechende Aufarbeitung eines wenig beleuchteten Kapitels der Geschichte und beruht auf guten Recherchen und einer wahren Geschichte.
Tanja Schleyerbach
Magischer Wettstreit
Howard, Kat: An unkindness of magicians. – London: Saga Press, 2019. – 354 Seiten
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Die unsichtbare Welt wird sich verändern. Und das nicht nur, weil die alle paar Jahre stattfindenden Duelle der magischen Häuser um die Vorherrschaft bevorstehen. Denn Magie hat ihren Preis…
Kat Howard verzichtet auf eine umständliche Einleitung und langatmige Erklärungen, sie wirft uns stattdessen direkt in die Handlung. Die Charaktere muss man selbst kennenlernen.
Ungewöhnliche Geschichte mit interessanten Figuren und einer Prise erbarmungsloser Brutalität.
Easy to read, gibt‘s aber auch auf Deutsch unter dem Titel: Schatten der Magie.
Andrea Bässgen
Unbequeme Tatsachen und Lösungswege
Hose, Burkhard: Warum wir aufhören sollten, die Kirche zu retten. Für eine neue Vision von Christsein. – Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag, 2019. – 144 Seiten
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Burkhard Hose, Studentenpfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde Würzburg, legt ein Plädoyer für ein neues Verständnis von Kirche vor. Er fordert angesichts von Missbrauch und strukturellen Zusammenbrüchen den Verzicht auf sinnfreien Machterhalt und Wahrheitsansprüche von „erschöpften Hirten ohne Schafe“. Stattdessen: Wahrhaftigkeit durch einander dienende jesuanische Liebe – bei den Menschen bleiben, statt zu gehen, wenn es unbequem wird. Ihm geht es nicht um eine bessere Kirche, sondern um eine bessere Welt im freiheitlichen Geist Jesu, die von Frauen und Männern gleichberechtigt und human gestaltet wird. Sein Amt und seine Macht reflektiert Hose ebenfalls kritisch. Sein Lösungsansatz ist sachlich und klug: Offenheit dafür, was sich entwickeln wird, wenn man auf Macht verzichtet. Fragen aushalten und in die Antwort hineinleben, statt sie zu geben. Eine aufrüttelnde, zeitgemäße, biblisch begründete und die Institution Kirche hinter sich lassende Streitschrift mit Beispielen aus der Praxis.
Tanja Schleyerbach
Naturgewaltige Flusslandschaft
Ohler, Norman: Die Gleichung des Lebens. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2019. – 415 Seiten
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Ein Mathematikgenie, ein preußischer König und der Oderbruch östlich von Berlin: das sind die Ingredienzien für einen wunderbaren historischen Roman. Friedrich II. will 1747 den Oderbruch östlich von Berlin trockenlegen. Dort soll statt Sumpfgebieten und labyrinthischer Flusslandschaft künftig Weide- und Ackerland neue Untertanen ernähren, die neu entdeckte „Erdtuffel“ wachsen und Überschwemmungen und Sumpffieber der Vergangenheit angehören. Aber die wendischen Fischer, die in der unwegsamen Gegend leben, rüsten sich zum Widerstand. Ihre jahrhundertealte Natur- und Lebenswelt ist bedroht. Der französische Ingenieur, der für das Projekt zuständig war, wird tot aufgefunden. Und Friedrich II. schickt den unwilligen Mathematiker Leonhard Euler vor Ort. Er soll das Land vermessen und den Todesfall aufklären – dabei will er sich doch nur seinen Studien widmen. Stattdessen findet sich das lebensferne Mathematikgenie bald im Kampf mit ungeahnten Gefahren. Was zuerst nach einem historischen Krimi aussieht, ist viel mehr. Ohler erzählt die Geschichte eines großen Landbauprojektes und entwirft ein Panorama von Preußen, das sich im 18. Jahrhundert aufmacht in eine moderne Welt. Aus dem historischen Krimi wird schnell eine Erzählung von Fortschritt, Tradition und Freiheit.
Andrea Däuwel-Bernd
Leichentücher und Weltraumanzüge: Textilherstellung in Laufe der Zeit
St. Clair, Kassia: Die Welt der Stoffe. – Hamburg: Hoffmann + Campe, 2020. – 413 Seiten
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Hanf, Leinen, Seide, Wolle, Kunstfasern. Anknüpfend an Personen wie Ludwig XIV oder Kaiser Nero, spinnt die Autorin die Geschichte der Textilherstellung im Laufe der Jahrhunderte. Chronologisch erzählt sie, wie der Mensch die Wolle für sich entdeckte, die alten Ägypter ihre Mumien in Leinen einwickelten, wie die Seidenstraße entstand und wie Anzüge für den Weltraum entwickelt wurden. Ob Natur- oder Kunstfaser – faszinierende Geschichten zeigen die Bedeutung der Textilien für die Menschheit. Das alles liest sich sehr lebendig, unterhaltsam und informativ. Schade ist lediglich, dass der fade Buchumschlag nicht die Farbigkeit des Inhalts wiedergibt. Man sollte sich dennoch davon nicht abschrecken lassen, dieses interessante Buch zu lesen.
Maria Weber
Familiendrama in Türkisch-Kurdistan
Min Dît. / Regie: Miraz Bezar. – D/TR, 2010. – 1 DVD. – 102 Min.
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Gulistan (10 Jahre alt) und ihr jüngerer Bruder Firat leben mit ihrer kleinen Schwester Dilovan und ihren Eltern in Diyarbakir. Eines Tages müssen sie mitansehen, wie ihre Eltern im Auto von einer paramilitärischen Gruppe erschossen werden. Ihr Vater war ein regimekritischer Journalist. Nach der Ermordung ihrer Eltern werden die drei Geschwister zunächst von ihrer Tante Yekbun betreut, bis diese auch verschwindet, ohne dass die geplante Ausreise nach Schweden gelingt. Alleine gelassen hausen die drei Kinder in der elterlichen Wohnung, in der bald Wasser und Strom abgestellt werden, und das Baby stirbt. Weil sie die Miete nicht bezahlen können, landen sie auf der Straße, wo sie ihr Schicksal mit anderen Kindern teilen. Zelal und ihr blinder Großvater helfen ihnen, in der fremden Welt besser zurechtzukommen. Gulistan findet in der Prostituierten Dilan eine Freundin, die sie zum Mörder ihrer Eltern führt, und das Unheil nimmt seinen Lauf. Der Tod der Eltern bleibt nicht ungesühnt. Leise, eindringlich und sehr glaubwürdig nimmt Miraz Bezar, der für den Film 2005 von Berlin nach Diyarbakir zog, den Zuschauer mit in eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht und zu einem beklemmenden Porträt des Lebens in Türkisch-Kurdistan in den 90er Jahren wird.
Tanja Schleyerbach
Und morgens macht die Putzkolonne den Dreck weg
Nagelschmidt, Thorsten: Arbeit. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2020. – 333 Seiten
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Wenn es dunkel wird, gehen in diesem Roman die Lichter an in Berlin. Die Stadt wird zu einem Feuerwerk an Nachtleben, Clubszene und Party. Aber am Rande des Ausgehbetriebs müssen Menschen ihren Job erledigen, während Touristen, Studenten und Raver feiern. In einem Kreuzberger Hostel beginnt Sheriff seine Nachtschicht. Im Späti nebenan erlebt die Besitzerin den zweiten Überfall in diesem Jahr. An der Tür des Clubs realisiert der Türsteher, dass Familie und Arbeitszeit nicht zusammenpassen. Außerdem: ein Drogendealer mit Helfersyndrom und Zahnschmerzen, ein Taxifahrer mit Geldsorgen, eine Buchhändlerin, die nachts Pfandflaschen sammelt, eine Notfallsanitäterin und ihre Patienten. Elf Schicksale, locker verbunden. Wer sind diese Menschen, die nachts arbeiten, während andere feiern? In diesem tollen und temporeichen Gesellschaftsroman sind die Episoden und die Schicksale locker verwoben. Zwölf Stunden, die gnadenlos schnell abgehen in einer Zeit vor Corona.
Andrea Däuwel-Bernd