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Empfehlungen Juni 2023

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfehlen

Buch-Cover: Kochen ohne Strom Buch-Cover: Reserve Buch-Cover: Tür an Tür DVD-Cover: Eldorado DVD-Cover: Mama illegal Buch-Cover: Am Ende der Straße


 

Zu den Aktionstagen für Nachhaltigkeit vom 30.05.‑05.06.2023

Ein Buch, das man hoffentlich nie im Ernstfall benötigt

Buch-Cover: Kochen ohne StromBundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.): Kochen ohne Strom. – 2022 – 152 Seiten

Titel verfügbar?       Reading Challenge - RTRC23 Sachbuch‑Bestseller

Haben Sie vor Kurzem auch die Miniserie „Blackout“ im Fernsehen gesehen? Was hätten die Menschen in dieser Serie wohl dafür gegeben, wenn sie das Buch „Kochen ohne Strom“ zuhause gehabt hätten! In diesem Kochbuch werden 50 Rezepte vorgestellt, die in einem bundesweiten Rezeptwettbewerb gesammelt wurden. Die Einsender der Rezepte waren sehr kreativ und die Ergebnisse sind sehr abwechslungsreich und geschmacklich weit von Dosenravioli entfernt. Anhand der Zutatenlisten und der Vorratslisten kann man gut einen für sich passenden Vorrat zusammenstellen, mit dem man sich im Notfall versorgen kann.

Und natürlich kann man das Kochbuch nicht nur im Notfall anwenden - eigentlich sollte es beim nächsten Campingurlaub auf keinen Fall fehlen!

Renate Goldbrunner

 

Das Privatleben eines Prinzen

Buch-Cover: ReserveHenry, Duke of Sussex: Reserve. – 2023 – 507 Seiten

Titel verfügbar?       Reading Challenge - RTRC23 Sachbuch‑Bestseller / reale Person

Mit „Reserve“ bricht Prinz Harry ein Tabu der britischen Königsfamilie: er berichtet über sein Privatleben am Hof, die bis heute andauernde Trauer über den Tod seiner Mutter und noch so manch andere, teilweise delikaten Angelegenheiten, welche noch vor der offiziellen Veröffentlichung ein gefundenes Fressen für die Presse darstellten. Insbesondere seine Frau Meghan gilt bis heute als Grund, weshalb der Prinz sich von seiner Familie abgewandt hat und mit seiner Frau sowie den beiden Kindern aktuell in den USA lebt.

Das Buch wurde mit Spannung erwartet und doch ist es erfrischend, einen Einblick in das Privatleben eines Prinzen zu erhalten, der vom Tag seiner Geburt an reich und berühmt war, jedoch als „Spare“, also die Reserve, sollte seinem älteren Bruder William etwas geschehen, behandelt wurde. Gerade dies und vor allem Harrys Drang nach Freiheit, die er stets im von ihm so geliebten Afrika findet, prägen ihn und er offenbart die Schattenseiten des Prinzentums, ganz nach dem Motto: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Die Biographie lässt sich sehr flüssig lesen und ist für jeden spannend, der noch etwas mehr über den Prinzen erfahren möchte. Ob wirklich alle Anekdoten für die Welt lesbar sein sollten, bleibt fraglich. Dennoch bietet der Blick hinter die Kulissen der Royal Family abwechslungsreiche Lesestunden.

Jessica Grobelnik

 

Zum LGBT-Pride-Monat im Juni

Ein Roman mit ganz eigenem Sog!

Buch-Cover: Tür an TürDominik Barta: Tür an Tür. – 2022 – 206 Seiten

Titel verfügbar?

Dieses knappe Buch handelt von Kurt, einem wirklich liebenswerten und sofort sympathischen Protagonisten. Er arbeitet als Lehrer, ist homosexuell und ziemlich verklemmt. Und er hat endlich eine kleine Wohnung in Wien gefunden. Allerdings stören ihn die Geräusche seines Nachbarn, die er durch die dünnen Wände hört. Als er den betreffenden Nachbarn aber kennenlernt, beginnt er ihn und seine Geräusche sofort zu mögen. Auch mit Regina, seiner neuen Nachbarin trifft er sich regelmäßig auf ein Bier. Als sein bester Freund dann noch vorübergehend bei ihm einzieht und er einem seiner Schüler Zuflucht gewährt, wird ihm bewusst worum es im Leben vielleicht wirklich geht.

Sehr empathisch und mit viel Liebe erzählt der junge Autor vom Leben in der Stadt, von Identität, der Suche danach und von Toleranz und Solidarität und erzählt dies durch kleine amüsante, unausweichliche und sarkastische Wahrheiten.

Katrin Grießinger

 

Zum Tag des Flüchtlings am 20.06.2023: Drei Empfehlungen

Flucht und Migration – eine Dokumentation anhand von Einzelschicksalen

DVD-Cover: EldoradoEldorado / Regie: Markus Imhof. – 2018 – 1 DVD – 92 Minuten

Titel verfügbar?

Markus Imhof legt mit „Eldorado“ eine berührende autobiografische Dokumentation verknüpft mit der alten und hochaktuellen Frage nach Flucht und Migration vor. In Zwischenblenden wird von Giovanna erzählt, einem italienischen Mädchen, das Ende des 2. Weltkrieges von seinen Eltern aufgenommen und zu seiner „Schwester“ wurde. Bald jedoch wurde es ausgewiesen und starb mit 14 Jahren in Italien an Auszehrung.

Markus Imhof nimmt Bezug zu den Menschen auf der Flucht und legt offen, in welch engem Zusammenhang westlicher Wohlstand und das Schicksal der Flüchtenden stehen. Der Milchexport nach Afrika, die billig importierten Tomaten, die lächerliche Bezahlung der Pflegekräfte, Prostitution und Vergewaltigung auf der Flucht, die Einreise- und Asylgesetze der westlichen Staaten, die Mauern und Grenzen, die Rückführungen. Anhand von Einzelschicksalen wird offenbar: alles hängt viel mehr zusammen, als die meisten Menschen in Wohlstandsgesellschaften wahrhaben möchten. Armut, Elend und Flucht, Reichtum, Härte und Abgrenzung, uralte Themen der Menschheitsgeschichte, bewegen Imhof vor dem Hintergrund seiner persönlichen Erfahrung mit Giovanna. Ein wichtiger und sehr persönlicher, aufrüttelnder Beitrag für alle.

Tanja Schleyerbach

 

Dramatische Familiengeschichten

Buch-Cover: Mama illegalMama illegal / Regie: Ed Moschitz. – 2011 – 1 DVD – 94 Minuten

Titel verfügbar?

Die Reportage ist von 2011 und hat leider nichts von ihrer Aktualität verloren. Sie porträtiert Mütter, die aus Moldawien für viele Jahre nach Italien oder Österreich einreisen – illegal. Die Armut und Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat treibt sie zu der verzweifelten Entscheidung, ihre Kinder und ihren Mann in Moldawien zurück­zulassen und sich auf die gefährliche und teure Reise zu begeben. In privaten Haushalten putzen sie oder pflegen betagte Menschen, ohne Papiere, ohne Urlaub, ohne soziale Absicherung, ohne eine angemessene Bezahlung. Aus dem vermeintlichen Traum wird ein Trauma – für die Mütter wie deren zurückgelassenen Familien. Gezeigt werden auch die Kinder und deren Väter und Großeltern.

Die Rückkehr aus der westlichen Welt nach vielen Jahren in die nahezu unverändert gebliebene Heimat ist für alle sehr emotional, für die Mütter aber auch ein Schock. Die Frauen kennen nun ein anderes Leben. Ihre Kinder sind groß geworden – ohne sie. Kontakt hatten sie in dieser langen Zeit per Video. Auffallend ist die emotionale Bindung zu den Kindern, aber auch die Distanz, die sich zu den Männern aufgebaut hat. In einem Fall entscheidet sich ein Vater zum Suizid, er kann es seiner Frau nicht mehr recht machen und steht seit ihrer Rückkehr im Abseits. Eine erschütternde und wichtige Dokumentation, die viel mit unserer westlichen Gesellschaft zu tun hat.

Tanja Schleyerbach

 

Erschütternd, hautnah, kritisch und außergewöhnlich

Buch-Cover: Am Ende der StraßeWolfgang Bauer: Am Ende der Straße. Afghanistan zwischen Hoffnung und Scheitern.  Eine Reportage. – 2022 – 395 Seiten

Titel verfügbar?

Wer Wolfgang Bauer einmal live erlebt hat – wir schon mehrfach in der Stadtbibliothek Reutlingen - vergisst keinen dieser Abende. Der ZEIT-Reporter hat bereits aus Bosnien, dem Irak, Syrien, Nigeria und Libyen berichtet. Wolfgang Bauer begann zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Reportagen aus Afghanistan. Zwanzig Jahre nach seiner ersten Reise kehrte er erneut nach Afghanistan zurück, um Freunde und Bekannte zu treffen und auf der 2200 Kilometer langen Ringroad, die in den 60er Jahren begonnen und bis heute nicht fertiggestellt ist, unvorstellbar viel Geld verschlungen hat und während des Einmarschs der westlichen Truppen zu einem blutigen Schlachtfeld wurde, Orte und Menschen aufzusuchen, die er in den vergangenen 20 Jahren einfühlsam und hautnah portraitiert hat.

Der Reutlinger ist einer der besten Reporter für dieses zerrissene, vom Krieg zerstörte, zermürbte, an tägliche, brutale, rohe Gewalt und Angst gewöhnte und auch durch Korruption verarmte Land, das zwischen den Taliban, dem IS, westlichen Mächten und verschiedenen Ethnien zu zerbrechen droht. Bauer beschreibt die brutale Herrschaft über Frauen, Ungläubige und Andersdenkende, welches Angst- und Korruptionssystem die Menschen in Schach hält, wie die Mehrheiten wechseln, Menschen fliehen und andere bleiben und diese unlautere und Menschen schädigende Geschäfte eingehen und sich anpassen, um zu überleben. Auf den letzten Abschnitt der Ringroad fährt kein ausländischer Journalist, der nicht lebensmüde geworden ist – Wolfgang Bauer beschreibt dieses Wagnis, und ich halte den Atem an. Dass das Buch vorliegt, ist die Garantie, dass er diesen Ausflug überlebt hat.

Der Ausnahmejournalist geht zuletzt der Frage nach, warum der Westen an Afghanistan gescheitert ist. Klar, differenziert und ernüchternd sind seine Antworten darauf. Am Ende des Buches sehe ich voller Respekt auf einen Reporter, der sein Leben unzählige Male aufs Spiel gesetzt hat, um dieses Land, seine Menschen und Strukturen zu verstehen und uns zu vermitteln, dass er die Hoffnung auf Demokratie und Menschenrechte nicht aufgibt, niemals, auch in Afghanistan nicht. Dazu braucht man einen starken Glauben an das Gute im Menschen. Aber es entsteht auch Respekt für die Afghanen, die ausharren, sich arrangieren, die Armut und das Herrschaftssystem ertragen, weil es keinen Weg für sie aus dem Land gibt. Es ist eine Welt, die unendlich weit weg und unvorstellbar scheint und von der uns 5000 km, eine vollkommen andere Sichtweise und ein Leben in Sicherheit und Freiheit trennen. Das Buch hilft auch, den geflüchteten Menschen in Deutschland mit diesem Hintergrundwissen zu begegnen. Es ist viel zu wichtig, um zwischen anderen Buchrücken im Regal auszuharren. Unbedingt lesen!

Tanja Schleyerbach