Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfehlen
Meinungsbildung!
Horaczek, Nina; Wiese, Sebastian: Gegen Vorurteile. – Wien: Czernin Verlag, 2017. – 277 Seiten
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„Schrankenlose Freiheit gibt es nicht – auch nicht für Meinungen“. Dies wird im Buch „Gegen Vorurteile“ von Nina Horaczeks und Sebastian Wiese beispielsweise anhand des Kapitels „Die Auschwitzlüge“ erläutert. Aber auch andere Behauptungen, wie etwa „Ausländer kosten und nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ oder „Das Kopftuch ist ein politisches Symbol“, werden sehr differenziert überprüft und entkräftet. Obwohl die hierfür verwendeten Statistiken aus Deutschland und Österreich nicht ganz aktuell sind (das Buch ist bereits 2017 erschienen), wird deutlich, wie ein kluger Umgang mit Zahlen und Fakten funktioniert, und welche Recherchen zur Meinungsbildung notwendig sind. Ein Nachdenken über Fake News ist in diesem Buch von Nina Horaczeks und Sebastian Wiese natürlich inklusive, und vielleicht schafft es ja die Corona-Lüge in eine Neuauflage? „Gegen Vorurteile“ – ein wichtiges und für Jugendliche ab 14 sowie für Erwachsene empfohlenes Buch.
Jutta Zimmermann
Urkomisch erzähltes und hinreißend illustriertes Kinderbuch über die Zeit
Meike Haberstock: Anton hat Zeit, keine Ahnung, warum. – Hamburg: Oetinger 2015. – 108 Seiten
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„Alarmstufe 1 trat ein, wenn er mal wieder VIEL und Mama KEINE Zeit hatte. Je mehr Zeit er sich für etwas nahm, desto weniger hatte sie… Eigentlich müsste man Zeit doch zusammenrechnen können wie Murmeln.“
Keine Ahnung, warum die Erwachsenen keine Zeit haben. Und Mamili erst recht nicht, sie ist ein ganz und gar hoffnungsloser Fall. Für Anton, der alleine mit seiner Mamili lebt, ist das ein großes Rätsel. Er sieht sie ständig zwei oder mehr Dinge gleichzeitig tun. Alleine morgens muss sie acht Dinge tun, bevor die beiden in unterschiedlichen Tempi das Haus verlassen. Manchmal ist nicht einmal mehr Zeit zum Beeilen. Er hingegen seift sich während Mamilis morgendlicher Erledigungen ausgiebig und hingebungsvoll ein, malt sich einen Fuß passend zum Farbtag mit Wasserfarben an und beißt sich ein Hasenbrot zurecht. Manchmal wäscht er die Wäsche auch in der Spülmaschine. Anton muss anschließend erfahren, dass es verschiedene Alarmstufen bei Mama gibt. Und erleichtert feststellen, dass Opa und Anton alle Zeit der Welt haben.
Wir lesen Antons Geschichten vom busfahrenden Chamäleon, vom Kampf mit dem Mammut, vom Über-Dem-Gürtel-Tier, von einer Eichhörnchenbeerdigung und kommen letztlich dem Uhrengeheimnis auf die Spur.
Urkomisch sind die herrlichen Bilder und mitreißend humorvoll ist Antons Weltsicht, beides lockert die Bauchmuskulatur, und das Buch ist besonders Erwachsenen zu empfehlen, denen es spielerisch ein mehrere hundert Seiten umfassendes Zeitmanagement- oder Philosophiebuch ersetzen kann. Dieses Buch hat nur wenig mehr als 14.000 Wörter, und es zu lesen dauert in etwa so lange, wie man braucht, um alle Kuscheltiere einzucremen und ihnen anschließend dabei zuzusehen, wie sie von Mamili in der Waschmaschine gewaschen werden. Kein Wunder, dass die Autorin und Illustratorin von sich selbst sagt, dass sie sich am liebsten „rund um die Uhr Quatsch ausdenkt“.
Tanja Schleyerbach
Poweroma
Bronsky, Alina: Der Zopf meiner Großmutter. – Gelesen von Sophie Rois. – Roof Music/Tacheles (4 CDs). – 5 Stunden, 17 Minuten
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Die rauhe und doch so facettenreiche Stimme von Schauspielerin Sophie Rois hat mich gleich in ihren Bann gezogen, und so wurde das Hörbuch „Der Zopf meiner Großmutter“ von Alina Bronsky für mich zum echten Hörerlebnis. Über fünf spannende, lustige, sarkastische und gefühlvolle Stunden ohne eine Spur Langeweile waren garantiert. Um was geht es?
Max, Oma und Opa sind aus Russland ausgesiedelt und leben jetzt im Flüchtlingsheim in Deutschland. Die Großmutter behütet ihren Enkel vor jedem wirklichen und erfundenen Staubkorn, was zu grotesken Situationen führt, der Großvater schweigt, der Enkel Max wundert sich über die Welt und kommt nach und nach den Geheimnissen der Erwachsenen auf die Spur. Die Schauspielerin Sophie Rois beherrscht beim Vorlesen all die Gefühlsnuancen der Großmutter: Besorgnis, Empörung, Hochmut, Verbitterung, Angeberei, Sorge und Verzweiflung. Und die Geschichte entwickelt sich zu einem spannenden Familiendrama.
Andrea Däuwel-Bernd
Aufschrei im Wald
Marcus Pfister: Wer hat die Haselnuss geklaut? Eine Räubergeschichte. Zürich: Nordsüd 2019. – 28 ungezählte Seiten
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Ein Schrei gellt durch den Wald. Es ist das fassungslose Eichhörnchen, das drei Nüsse vermisst. Wer ist der Dieb? Es könnte jeder sein. Der Maulwurf hat die Nüsse vielleicht in seinem Hügel versteckt, der Hamster in seinen dicken Backen. Die Maus, der Hase und der Fuchs werden ebenfalls verdächtigt. Alle Beteiligten bestreiten empört den Raub. Als der Fuchs dem Eichhörnchen sagt, es solle endlich verschwinden, zieht sich dieses traurig zurück. Aber wo sind jetzt die Haselnüsse und sind sie wirklich gestohlen worden?
Das Bilderbuch hat wunderschöne Zeichnungen, die Erwachsene und Kinder gleichermaßen verzaubern. Die Geschichte wird von Marcus Pfister in Reimen witzig erzählt und bietet gleichzeitig Denkanstöße für jedes Alter. Man sollte nicht immer gleich jemanden verdächtigen, sondern erst in Ruhe nachdenken.
Beate Reichmann
Die türkische Metropole und ihre Katzen
Kedi. Regie: Ceyda Torun. – Türkei/USA 2016. – 1 DVD. – 76 Minuten.
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Für einen heiter-entspannten Filmabend sorgen Istanbuls Katzen, in bezaubernden Bildern eingefangen von der türkischen Regisseurin Ceyda Torun. Es sind tausende: Eigenwillig, intelligent, anschmiegsam, unabhängig, räuberisch, kämpferisch, stolz und leise streifen die sieben freiheitsliebenden ausgesuchten Persönlichkeiten durch Istanbuls Straßen und verzaubern die Menschen, denen sie nicht gehören und die doch in einer Beziehung zu ihnen leben. Gleichgültig lassen die Katzen kaum einen von ihnen, und wir lernen leidenschaftliche türkische Männer kennen, die einige mit der Flasche großziehen und mit Essenstüten täglich Runden laufen, um die Straßenkatzen zu versorgen. Herzerwärmend, tierisch und zugleich menschlich ist dieser Einblick in Istanbuls Leben und seine Bewohner. Ein Must-See für alle Katzenliebhaber und Menschen, die es noch nicht sind.
Tanja Schleyerbach
Alte und neue Straßen
Deen, Mathijs: Über alte Wege. Eine Reise durch die Geschichte Europas. – Köln: DuMont 2019. – 415 Seiten
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Eine Bodenwelle ist Quelle für ein ganz besonders Vergnügen. Der Familien-2CV braust auf dem Weg zu Oma und Opa darüber und fliegt zur Freude der ganzen Familie sekundenbruchlang gen Himmel, die Straße heißt E8. Eine jener Straßen, die Europa seit Jahrtausenden durchziehen, und das Kindheitserlebnis werden Inspiration für ein ganz besonderes Sachbuch. Denn Straßen spielen eine heimliche, aber unverzichtbare Hauptrolle in der Geschichte des Kontinents, denn seit der erste Mensch den europäischen Kontinent betrat, sind wir unterwegs. Viele alte Wege Europas entstanden infolge von Völkerwanderungen, Kriegen und Feldzügen. Urzeitliche Jäger und Sammler, die vom Süden aus bis in den obersten Norden vordringen, die Menschen der Völkerwanderungszeit, die auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten kreuz und quer durch Europa ziehen, Wegelagerer, die an den römischen Straßen nach Reisenden spähen, Glaubende, die – um des Seelenfriedens willen – von Island bis nach Rom pilgern, Verfolgte und Händler, Soldaten, Rennfahrer und Migranten. Ihre Lebensgeschichten sind alle mit Straßen verbunden, und der niederländische Autor Mathijs Deen hat sie aufgeschrieben und ein spannendes Konglomerat geschaffen. Eine Mischung aus Lebensbeschreibungen, literarischen Betrachtungen und Sachbuch, Fiktion vermischt sich mit historischen Fakten. Acht historisch verbürgte Lebensschicksale hat er für sein Buch ausgewählt. Für alle, die gerne Biografien lesen.
Andrea Däuwel-Bernd