Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfehlen
Eine Restauratorin und zwei Schildkröten auf Antiquitätenjagd quer durch Europa
Elisabeth Beer: Die Bücherjägerin. – Roman, 2023. – 425 Seiten
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Bereits von Kindesbeinen an verbringt Sarah ihre Zeit lieber mit der Nase zwischen Buchseiten, als mit anderen Menschen. Ihre Leidenschaft für Folianten, Manuskripte und antiquarische Landkarten teilt sie mit ihrer Tante Amalia, bei welcher sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgewachsen ist. Daher ist es auch wenig überraschend, dass Sarah ihre Leidenschaft schließlich zum Beruf macht und in die Restaurationswerkstatt ihrer Tante einsteigt. Auch nach dem Tod von Amalia führt Sarah das Geschäft weiter. Dabei zieht sie sich mehr und mehr in die Einsamkeit der Villa ihrer Tante zurück. Ihre beiden Schildkröten Bonnie und Clyde sind ihre einzige Gesellschaft.
Ihre selbstgewählte Isolation findet jedoch ein jähes Ende, als der Londoner Bibliothekar Benjamin Ballentyne vor ihrer Tür steht. Er bittet sie darum den letzten Auftrag ihrer Tante zu Ende zu bringen und sich mit ihm auf die Suche nach der Tabula Peutingeriana, einer verschollenen römischen Straßenkarte, zu machen. Eine spontane und kuriose Reise quer durch Europa beginnt.
Die Bücherjägerin ist der Debütroman von Elisabeth Beer und eine warmherzige Erzählung über das Suchen und Finden im Leben. Die verschwundene Landkarte wird für die Protagonistin dabei zu einem sinnbildlichen Wegweiser. Der Leser begleitet Sarah auf ihrer Reise durch Europa, durch welche die Protagonistin nicht nur neue Menschen und Länder, sondern vor allem sich selbst besser kennenlernt.
Dabei sind es vor allem die liebevollen und detailreichen Schilderungen der Figuren sowie die perfekt abgestimmte Mischung aus Tragik und Komik, welche den Roman zu etwas Besonderem werden lassen.
Jennifer Ludmann
Zum Tag der Obdachlosen am 10. Oktober
Ein zutiefst menschliches Hörstück
Stefan Weiller: Deutsche Winterreise. Liederzyklus von Geschichten mit Menschen im Abseits. – Erzählungen, 2019. – CD mit Booklet . – 82 Minuten
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Stefan Weiller ist von 2008 bis 2018 durch Deutschland gereist und hat sich mit Menschen unterhalten, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Bewegend ist, was vielleicht jeder gerne verdrängt und doch zu unserer Gesellschaft gehört: Wohnungslosigkeit, Armut, Menschen auf der Flucht oder im Abseits, Menschen, die ausgegrenzt werden. Aus den 400 Gesprächen in 32 Städten sind Texte entstanden: harte, weiche, berührende, groteske und traurige und welche, die man am liebsten sofort wieder vergessen würde. Grundehrlich sind sie, und sie werden gekonnt durchmischt mit Texten von Wilhelm Müller und Musik von Franz Schuberts Winterreise.
Eine Frau erzählt, äußerlich ist ihr nicht anzumerken, sie riecht gut, sie kleidet sich gut, und sie leistet sich einen Bibliotheksausweis. Das Personal ist aufmerksam und freundlich zu ihr, lächelt ihr zu und glaubt vielleicht, sie kommt, um wissenschaftlich zu arbeiten. Eine gute Investition findet sie die Jahresgebühr. Sie gibt ihr menschliche Würde und eine Heimat.
Viele Menschen glauben, der Winter sei die schlimmste Jahreszeit und Weihnachten der einsamste Tag für wohnsitzlose Menschen. Das ist nicht so. Die schlimmste Zeit ist das Frühjahr und der Sommer, wenn alle denken, wie gut sie es doch haben, weil sie den ganzen Tag im Park das Leben und die Sonne genießen können. Das Thema ist weiterhin hochaktuell, und der Umgang der Gesellschaft mit den Menschen hat sich seitdem nicht wesentlich geändert. Armut greift weiter um sich, dringt in andere soziale Schichten vor und macht sich unauffällig breit. Das Hörstück gibt tiefe Einblicke in menschliche Gefühle und Schicksale, vor denen niemand wirklich sicher ist. Ein intensives und überaus hörenswertes Juwel.
Weitere Informationen zur Wohnungslosigkeit:
https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61797/wohnungslosigkeit/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36350/umfrage/anzahl-der-wohnungslosen-in-deutschland-seit-1995/
Tanja Schleyerbach
Zum Coming Out Day am 11. Oktober
Wunderbar, lebendig, queer – ein absolutes Wohlfühlbuch
Becky Albertalli: Imogen, obviously. – Roman in englischer Sprache, 2023. – 416 Seiten
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Zunächst einmal: das ist das schönste Buch, das ich jemals gelesen habe. Ich konnte mich beim Lesen so sehr in die Hauptprotagonistin Imogen hineinfühlen, in diese wundervolle Geschichte rund um Queer-sein, Freundschaft, Coming Out und der Frage „wer bin ich eigentlich?“. Ich wünschte, ich könnte das Buch noch einmal zum ersten Mal lesen, mit der Erkenntnis: ich fühle mich gesehen.
Durchgelesen habe ich das Buch, als ich in einem Café saß, ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Ich habe das Buch in der Originalsprache Englisch gelesen und kam damit sehr gut zurecht, da es schön flüssig geschrieben ist. Den Schreibstil der Autorin finde ich angenehm und authentisch und es hat mir wirklich viel Freude bereitet, in dieser Geschichte zu versinken.
Isabelle Gonser
Wie Migräne ein Leben bestimmt
Phia Quantius: Bombenkopf. – Sachbuch, 2023. – 270 Seiten
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Es gibt viele Bücher über Migräne. Und es gibt noch mehr Menschen die unter Migräne leiden. Es ist die dritthäufigste Krankheit der Welt! 18 Millionen Menschen leiden allein hier in Deutschland daran. Trotz allem erhält nicht einmal jeder zehnte Betroffene spezifische Migräne-Medikamente oder eine angemessene Therapie. Leider wird Migräne in den wenigsten Fällen ernst genommen, da man nicht krank aussieht. Daher gilt sie sozusagen als „unsichtbare“ Krankheit. Und Achtung: Migräne ist nicht nur Kopfweh!
Und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, ist dazu noch jede Migräne/ jeder Migräneanfall völlig anders. Um ihre besonders starke Form der Migräne verstehen zu lernen hat sich Phia Quatius mit Expert*innen ausgetauscht, Kopfschmerztagebücher geschrieben und jeden erdenklichen Ansatz zu (alternativen) Therapiemethoden ausprobiert.
Sie beschreibt ihre Trigger, Migräneanfälle, die Herausforderung ein „normales“ Leben zu führen und trotzdem noch Träume und Wünsche zu haben.
Besonders interessant fand ich die Beschreibung aus Sicht ihrer Angehörigen und wie diese die Krankheit wahrnehmen.
Zudem schreibt sie nicht nur über die Migräneanfälle an sich, sondern beleuchtet auch die Begleiterscheinungen, die durch die Krankheit hervorgerufen werden können, wie zum Beispiel hoher Medikamentenkonsum und dessen Auswirkungen, Depressionen und Suizidalität.
Betroffene werden täglich mit ihrer Krankheit konfrontiert, ob sie sich gerade „zeigt“ oder nicht - sie ist immer da.
Als Migräniker*in fühlt man sich oftmals nicht verstanden und wenn Mitmenschen dann doch mal einen Anfall miterleben, sind sie meist geschockt, ängstlich oder überfordert.
Wie bereits erwähnt müssen so viele Menschen aber leider Tag für Tag damit leben, sodass es wichtig ist, über mögliche Symptome, Begleiterscheinungen etc. Bescheid zu wissen. Phia nimmt mit diesem Buch den Kampf für mehr Aufmerksamkeit für diese unsichtbare Krankheit auf!
Katrin Grießinger
Zur Woche der Seelischen Gesundheit vom 10. bis 20. Oktober
Aktuelle und existenzielle Themen literarisch ansprechend verarbeitet
Daniel Schreiber: Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen. – Sachbuch, 2017. – 139 Seiten
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Daniel Schreiber, Jahrgang 1977, in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen, verfasst Texte für die ZEIT, und das ZEIT-Magazin, die taz, den Tagesspiegel und viele Magazine. Seine Themen haben Schwerpunkte in den einzelnen Büchern, die sich im Titel andeuten, aber alle kreisen um existenzielle Lebensthemen ebenso wie um seine eigenen Erfahrungen, die nie ins Peinliche abrutschen. Elegant, manchmal auch unvermutet wechselt er von seinen Gefühlen zu gesellschaftliche Fragen. In „Zuhause“ geht es um seine Kindheit in der DDR, Flucht der Vorfahren, Sehnsucht und Erbe, um Herkunft, Sicherheit und das Zusichkommen, aber auch um das zuhauselose Zuhause.
Daniel Schreiber: Allein. – Sachbuch, 2021. – 159 Seiten
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„Allein“ kreist in der Coronapandemie um eine existenzielle Erfahrung, die jeden Menschen trifft, denn spätestens die Schwelle vom Leben zum Tod muss man alleine bewältigen. Freundschaft und Arbeit am eigenen Körper sowie Abschieden kommt er in diesem Buch näher. Immer wieder sind es auch seine Homosexualität und Abstürze, Drogenerfahrungen und Depressionen, die ihn beschäftigen, und er teilt sie großzügig und literarisch auf eine ansprechende Weise. Der belesene Autor bezieht Philosophen und andere Schriftsteller in seine Reflexionen mit ein.
Daniel Schreiber: Die Zeit der Verluste. – Sachbuch, 2023. – 139 Seiten
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„Die Zeit der Verluste“ schließlich, 2023 erschienen, reflektiert das Thema Abschied, Trauer und Verluste. Er betrauert nicht nur menschliche, sondern auch Dinge und Ereignisse, die unwiederbringlich verloren und vergangen sind. Kollektive Ereignisse bricht er auf persönliche Gefühle herunter und bringt seine Empfindungen mit gesellschaftlichen und kulturellen Themen sowie mit der Psychologie in Verbindung. Immer führen Depressionen zu schweren Einbrüchen in seinem Leben. Er weicht keinem Thema aus.
Zuversicht, Hoffnung und Trost finden sich in allen seinen Büchern.
Aktuelle wie zeitlose, existenzielle Themen, gewinnbringend zu lesen.
Tanja Schleyerbach