Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfehlen
Wie wollen wir leben? Eine Annäherung an das Entwicklungspotenzial der menschlichen Seele in der Gegenwart
Adriaan Bekmann: Die Seele. Eine geisteswissenschaftliche Betrachtung. – Urachhaus. 2024. – 135 Seiten
Titel verfügbar?
Prof. Adriaan Bekman, Soziologe und Gründer des „Instituut voor Mens en Organisatieontwikkeling“ und zahlreicher Zentren für 'Horizontales Führen' und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Unternehmensführung, Teambildung, Organisationsentwicklung, Beratung, und Selbstmanagement. Er beschäftigt sich im vorliegenden Buch mit der Existenz, dem Erscheinen, der Aufgabe und dem Vertrautwerden mit der eigenen und der gemeinsamen Seele und deren Zukunft. Dabei nimmt er die Existenz der Seele in einer seelenlosen und gewaltvollen Zeit in den Blick. Er eruiert deren Wahrnehmungs- und Entwicklungspotenzial. Bekman definiert den Unterschied zwischen Seele und Geist und reflektiert, inwieweit die Seele ihr Ideal in der Wirklichkeit entwickelt oder die Wirklichkeit nach dem eigenen Ideal zu formen versucht mit den daraus resultierenden Spannungen und Konflikten. Wie sollen wir als Menschen in der Gegenwart leben? Nicht nur institutionelle Lösungen, sondern ebenso die Entwicklung des Einzelnen und seiner Seele werden diese Frage mit Sinn erfüllen.
Das anthroposophische Weltbild liegt seinen Ausführungen zu Grunde ohne dass es zu sehr in den Vordergrund gestellt wird.
Überaus lesenswerte Reflexionen zur menschlichen Seele und ihrem Entwicklungspotenzial.
Tanja Schleyerbach
Medienempfehlung zum Tag der Philosophie 21.11.2024
Poetische Gedankengänge zur Verwandlung des eigenen Handelns
Marica Bodrožić: Die Rebellion der Liebenden. Von der Verwandlung unseres Denkens in unsicheren Zeiten. btb Verlag, 2024. – 204 Seiten
Titel verfügbar?
„Es gibt eine Güte, die hinter der Verletzlichkeit liegt. Sie kann nicht durch Gewalt abgetötet werden“
Die sechs Essays der in Dalmatien geborenen Autorin behandeln die Themen Durchlässigkeit, Verletztlichkeit, Gnade, Ungezähmtheit, Zugehörigkeit und Verwandlungsfähigkeit. Sie beruhen auf sechs Poetikvorlesungen von 2022 an der Technischen Hochschule Köln und wurden für das Buch aktualisiert und überarbeitet. Die Essays haben eine sehr persönliche Note, berichten von Bodrožićs (auch gewaltvoller) Kindheit, Wahrnehmungen, Naturverbundenheit, Erfahrungen und daraus resultierenden Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen. Sie bricht aus, sucht den eigenen Lebensweg, eigene Lebensgedanken, und das Einssein mit allem erfährt sie gerade in ihrer Verletzlichkeit. Sie sucht bei Gewaltspiralen den Spalt, der zwischen den beiden Kämpfenden liegt, der den Frieden, die Verständigung und das Verständnis füreinander ermöglicht, auch bei ihrer Mutter. Offenheit im Denken und eine rebellisch liebende Menschlichkeit des Einzelnen sieht sie aus der Erfahrung der Verletzlichkeit jedes Menschen erwachsen. Die Essays beziehen das aktuelle Zeitgeschehen ein. Die Sprache ist poetisch, überraschend und zutiefst menschlich.
Herausragend. Menschliche Pflichtlektüre für alle.
Tanja Schleyerbach
Medienempfehlung zum Reading Challenge 2024 - Rubrik: ein Wort
Verstörend und beängstigend!
Christina Dalcher: Vox : Frankfurt am Main : S. Fischer, 2018. - 395 Seiten
Titel verfügbar?
Diese fiktive Geschichte zeigt, wie weit es gehen könnte, wenn sich die Menschen nicht für Frauenrechte einsetzen.
Schon etwas älter, aber deshalb nicht weniger erschütternd.
Übirgens: Christina Dalchers neues Buch „Vita“ ist auch unbedingt zu empfehlen!
Zum Totengedenken im November
Intensiv, berührend, lebensnah
Weiller, Stefan: Letzte Lieder. – Edel Verlag, 2017. – 255 Seiten
Titel verfügbar?
Stefan Weiller hat Besuche im Hospiz gemacht und dessen Bewohner/innen nach ihren „Letzten Liedern“ befragt. Natürlich bleibt es nicht bei Gesprächen über Lieblingsmusik, sondern die Lebens- und Krankengeschichte der Menschen wird auf einer bis vier Seiten nacherzählt – mit geänderten Namen. Sie sind so interessant und vielfältig wie das Leben und ihre Lieblingsmusik reicht vom Kirchenchoral, Johann Sebastian Bach, Johanne Brahms über My fair Lady und Barbara Streisand bis zum Metalsong. Ehemals Obdachlose Menschen wohnen neben Lehrer/innen, Ärzt/innen und Hausfrauen, Opernfans und Menschen, die den Krieg erlebt haben. Manche werden am Lebensende nachdenklich, verändern und versöhnen sich, andere bevorzugen, ihre harte Schale beizubehalten und kauzig wie eh und je zu sein.
Geordnet sind die Gespräche nach der Jahreszeit ihrer Entstehung, und sie bringen zum Lachen und rühren zu Tränen. Sie umfassen die ganze Bandbreite des menschlichen Lebens und sind in ihrer Ehrlichkeit, ihrem Schmerz und ihrer nüchternen Beschreibung des Alltags intensiv und abwechslungsreich. Kinder sind ebenso dabei wie ein russischer Bewohner, homosexuelle und heterosexuelle Paare kommen zu Wort, manchmal nur der eine oder die andre Partner/in, Katzen sind die besten Versteherinnen, Lebenssünden und Lebensdramen sind in wenigen Sätzen zu erahnen. Abschiedsbriefe an Eltern, Kinder und Partner/innen sind zu finden. Ein Paar schreibt sich lieber Kurznachrichten, weil das Unsagbare zu schwer zum Aussprechen ist. Unendlich viele Sätze voller Lebensweisheit stehen neben Alltäglichem. Intensiver und konzentrierter, wenn die Zeit am Lebensende knapp wird, kann man den Reichtum des Lebens kaum erfassen. Unbedingt empfehlenswert.
Tanja Schleyerbach
Medienempfehlung zum Tag der Gewalt gegen Frauen am 25. November 2024
Versagt unsere Gesellschaft, wenn es um den Schutz von Frauen geht?
Yvonne Widler: Heimat bist du toter Töchter. – 2022. – 254 Seiten
Titel verfügbar?
In diesem Buch geht es ausschließlich um Morde an Frauen durch ihren Partner bzw. Ex-Partner, begangen in Österreich. Die Autorin erzählt die Lebensgeschichten der Opfer, berichtet über Fakten und stellt alles in einen gesellschaftskritischen Kontext.
Es sind nicht immer „nur“ die zuschlagenden Männer, die Gewalt an den Frauen ist viel subtiler. Oft kommt diese beim Trennungswunsch der Frau voll zum Tragen und endet für sie tödlich.
Laut WHO ist Männergewalt eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen: überall auf der Welt ist einer der gefährlichsten Orte für Frauen das eigene Zuhause – allein in Deutschland stirbt jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Gewalt eines Mannes.
Maike Schneider
Ein berührendes, autofiktionales Buch zur Spurensuche nach einem tödlichen Autounfall
Zora del Buono: Seinetwegen. – C.H. Beck Verlag, 2024. – 200 Seiten
Titel verfügbar?
„Und doch ist da ein Widerspruch: dieses „Nie mehr“ ist nicht ewig, weil man selbst eines Tages stirbt, „Nie mehr“ ist das Wort eines Unsterblichen.“
Roland Barthes, Tagebuch der Trauer
Zora del Buono kennt anfangs nur seine Initialen: E.T. Der „Töter“ ihres Vaters, 1963 bei einem Autounfall, als sie wenige Monate alt ist und keine Chance mehr hat, ihren Vater kennenzulernen. Das Thema begleitet sie ein Leben lang. E.T. muss inzwischen Mitte 80 sein. Nach und nach werden die Umstände und beteiligten Personen des Unfalls eingeführt, und Zora begibt sich mit fast 60, als die eigene Mutter schon in einer Pflegeeinrichtung ist, auf die Suche nach dem Unfallverursacher. Dazwischen unterhält sie sich im Kaffeehaus mit verschiedenen Personen über ihre Suche und Reise in die Vergangenheit. An wen musste er lange Jahre Geld bezahlen? Sie nimmt alle Fährten auf und fordert Unterlagen, Gerichtsurteile an, besucht das kleine Schweizer Dorf, in dem er mutmaßlich lebte und spricht mit den Menschen. Immer näher kommt sie ihm, hat irgendwann seinen Namen, lernt sein Umfeld kennen, eine Spur führt in die USA. Ist es zu spät, ihn lebend zu finden? Was will sie mit ihm klären? Könnte es eine Befreiung für den Mann sein? Will sie am Ende ein Gesicht haben zu dem „Töter“ E. Traxler? Die Folgen für ihr Leben durch den frühen Vaterverlust sind spürbar, ohne aufdringlich zu sein. Ihre nüchterne, akribische und hartnäckige Art, dieses Lebensthema anzugehen, lässt den Schmerz dahinter erahnen.
Das Buch ist autofiktional und mit Familienfotos angereichert. Es ist ein Geschenk an die Lesenden, dass Zora sie teilhaben lässt an ihrer Suche und eignen Art der Trauerverarbeitung über das für sie unvollständige Leben ihres Vaters und ihre Auseinandersetzung mit der familiären Lebensgeschichte.
Tanja Schleyerbach