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Mitten unter uns
Cankiran, Rukiye: Das geraubte Glück. Zwangsheiraten in unserer Gesellschaft. – Freiburg i.B.: Herder, 2019. – 192 Seiten
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Rukiye Cankiran, engagierte Frauenrechtlerin, in Hamburg aufgewachsen in einem Elternhaus mit türkischen Wurzeln, hat sich eines wichtigen und weltweit brisanten Themas angenommen: Sie beleuchtet die Rechte von Kindern, Jugendlichen, sehr jungen Frauen (und Männern) in Bezug auf die Freiwilligkeit und Freiheiten einer Eheschließung und in Geschlechtsbeziehungen (Zwangsehe, arrangierte Ehe). Die Autorin erläutert gesellschaftliche, kulturelle, familiäre Traditionen und Zwänge – mit ihren teilweise verheerenden Folgen für die jungen Menschen, ihre Selbstbestimmung, Gesundheit und Lebensgestaltung betreffend. Cankiran deckt auf, wo weggesehen wird und um welchen Preis das geschieht. So genannte „Ehrenmorde“, deren Vorkommen sie auch in Deutschland mit Zahlen und Beispielen belegt, sind ebenso Thema ihres Buches wie die Rolle der Söhne und Männer in Gesellschaften, die Frauen- und Menschenrechte grob missachten. Sie erläutert die Motivation und die Strukturen, aus denen solche Handlungen erwachsen. Ihr Lösungsansatz ist Ansprechen, Aufklärung und die unmissverständliche und nicht verhandelbare Verteidigung der Menschenrechte weltweit.
Tanja Schleyerbach
Abenteuer pur
Heller, Peter: Der Fluss. – München: Nagel & Kimche 2019. – 270 Seiten.
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„Seit zwei Tagen rochen sie den Rauch“. So beginnt der Abenteuerroman, in dem die beiden Studenten Jack und Wynn auf einem Fluss im Norden Kanadas auf einer Kanutour unterwegs sind. Eigentlich wollten sie mehrere Wochen lang die Natur erleben, Einsamkeit, Entspannung und Ruhe finden. Jetzt spitzt sich die Situation dramatisch und unvermittelt zu. Es gilt, dem verheerenden Waldbrand schnell zu entkommen. Eine Gefahr, die die beiden zu zweit meistern können. Aber auf dem Fluss sind andere unterwegs und diese werden zur mörderischen Bedrohung für die beiden. Der Autor hat es nicht eilig, bis seine Geschichte eskaliert. Lange widmet er sich der Freundschaft seiner beiden Helden, dem Farmerssohn Jack und Wynn, und ein Element des Romans ist auch der Konflikt zwischen diesen unterschiedlichen Charakteren und den daraus entstehenden Konsequenzen. Noch mehr Zeit nimmt er sich für die Naturbeschreibungen, und gerade diese Passagen sind absolut großartiger Lesestoff, lebendig und voller Details und voller grandioser Landschaftsbeschreibungen und Naturbeobachtungen.
Ich fand’s spannend und mitreißend!
Andrea Däuwel-Bernd
Spannende Verbrecherjagd im britischen Oxford der 1960er Jahre!
Der junge Inspektor Morse, Staffel 1. – Regie: Ed Bazalgette, Tom Aughan. – 3 DVDs, 2017. – 449 Min.
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In der Welt der Krimi- und Thrillerfans ist er wohlbekannt: Detective (Chief) Inspector Endeavour Morse – seines Zeichens erfolgreicher Polizist im Kampf gegen Verbrechen aller Art, die die Universitätsstadt Oxford und ihre Einwohner in Atem halten. Beruhend auf einer Idee des Autors Colin Dexter, schuf der britische Sender ITV 1987 die erste TV-Reihe um Inspektor Morse. Stets begleitet von Detective Sergeant Robert Lewis löst Morse seine Fälle auf manchmal ungewöhnliche Weise. Doch genau das macht ihn auch so sympathisch.
Aber wie fand der Opernliebhaber in die Welt der Kriminalistik? Auf diesen Wegen wandelt die Serie „Der junge Inspektor Morse“, welche bereits seit 2012 erfolgreich in Großbritannien läuft und 2017 in das Programm von ZDFneo aufgenommen wurde.
Der junge Endeavour Morse, gerade erst von der Legion zurückgekehrt, kommt in Oxford Mitte der 1960er Jahre an und beginnt, bei der Polizei des wunderschönen Universitätsstädtchens unter Detective Inspector Fred Thursday, der sein etwas brummeliger, aber durchaus loyaler und sympathischer Mentor ist, seine ersten Fälle zu lösen. Der junge Morse ist, im Gegensatz zu seinem späteren Ich, eine schüchterne, stille und zurückgezogen lebende Erscheinung. Von Zeit zu Zeit wirkt er auch etwas melancholisch, und vorerst wird nicht viel über seine Vergangenheit preisgegeben. Auch wird er nicht gerade mit offenen Armen empfangen, da seine Methoden eher merkwürdig erscheinen. DI Thursday hält jedoch große Stücke auf Morse und steht ihm in verschiedenen Situationen bei, so dass man beinahe sagen könnte, er stellt die Vaterfigur für Morse in diesem Szenario dar.
Die Fälle sind teilweise düster und nehmen immer ihren ganz eigenen Verlauf. Oft werden auch mehrere Vorfälle intelligent miteinander verflochten, was die Spannung aufrechterhält. Und dann, wenn der Verbrecher geschnappt, der Tag gerettet und Morse und Thursday ihr wohlverdientes Bier im Pub einnehmen können, wartet manchmal auf dem Nachhauseweg oder in der Post noch ein kleines Detail des letzten Falles, das alles auf einmal viel klarer und manche Beteiligten anders erscheinen lässt. Und auch der Zuschauer denkt anschließend noch eine Weile über diesen Wendepunkt der Geschichte nach.
Schlussendlich gibt es drei sehr gute Gründe, weshalb man die Serie anschauen sollte:
1. Eine Vielzahl an Außenaufnahmen wurde direkt in Oxford gedreht. Die Stadt allein ist eine der schönsten Kulissen, die man sich überhaupt vorstellen kann.
2. Die 1960er Jahre sind aufgrund der damaligen Lebensstile, Mode und auch den tollen Autos immer eine kleine Zeitreise wert.
3. Morse ist Kult, egal in welchem Alter man ihm begegnet, und deswegen sollte man ihn sich nicht entgehen lassen!
Jessica Grobelnik
Hasstiraden und Überlebensstrategien
Groschupf, Johannes: Berlin Prepper. – Berlin: Suhrkamp, 2019. – 236 Seiten
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Beeindruckend fand ich diesen Thriller, der mit seiner nüchternen und kalten Sprache und düsteren Atmosphäre mehr ist als ein Kriminalroman: Er bietet eine gesellschaftspolitische Bestandsaufnahme, macht die Neonazi-Szene, die Rolle der Medien, populistische Hetze und enthemmte Sprache zum Thema.
„Approve, delete, delete, delete“ – jeweils zwölf Stunden muss Walter Noack die Pöbeleien und Hasstiraden in den Kommentaren zu Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln löschen. Im Newsroom eines großen Berliner Medienunternehmens arbeitet er als Online-Redakteur in Schicht. Durchgeknallte User, die sich „Besorgter Bürger“, „Axel Schweiß“ oder „Musashi“ nennen, und deren Hasstiraden sind sein Alltag, Beschimpfungen und Pöbeleien in den Kommentarforen das tägliche Brot in der Medienwelt. Wenn er nicht im Newsroom sitzt, schwimmt er in der Spree gegen den Strom, hält sich mit Joggen fit und legt Notvorräte an für den Ernstfall. Welcher Ernstfall? Walter ist ein sogenannter Prepper, ein Mensch, der überzeugt ist, dass die gesellschaftliche Ordnung zusammenbricht und der sich aufs Überleben trotz Unruhen, Anarchie und Apokalypse vorbereitet. Als es in Berlin im Sommer zu Bränden und offener Anarchie kommt, gerät er immer tiefer in die Szene der Reichsbürger und Neonazis hinein und sein Leben läuft endgültig aus dem Ruder.
Andrea Däuwel-Bernd
Spannende Fluchtgeschichte
Ballon. – Regie: Michael Bully Herbig. – 1 DVD, 2019. – 120 Min.
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Im Sommer 1979 planen zwei Thüringer Familien die Flucht aus der DDR – mit einem Heißluftballon. Was vollkommen verrückt klingt, gelingt beim ersten Versuch fast. Wie es möglich ist, in einem Staat, in dem vieles verboten und von Spitzeln überwacht, kontrolliert und zensiert und der Zugang zu Waren limitiert war, diese Idee zu gebären und in Realität umzusetzen, bedarf eines hohen Maßes an Kühnheit und Unverfrorenheit. Nur eine der beiden Familien wagt letztlich dieses Unternehmen. Der erste Versuch, minutiös mit dem selten aufkommenden notwendigen Nordwind geplant, um über die Grenze zu kommen, scheitert wenige Meter vor der Grenze mit einem dramatischen Absturz, bei dem alle vier wie durch ein Wunder überleben.
Die Verzweiflung muss groß sein, um das Leben der eigenen Familie zu riskieren. Der DDR-Staat sieht sich herausgefordert, die Fluchtwilligen zu schnappen und setzt dafür jedes Mittel ein, und immer enger zieht sich die Schlinge um die kleine Familie, während diese nun wieder mit der anderen Familie zusammen einen zweiten Ausbruchsversuch plant, der nicht unbemerkt bleibt. Stoffbahnen in dieser Größenordnung und die anderen Utensilien zu kaufen, fällt auf, auch wenn man es klug auf Orte und Personen verteilt, die Verkäufer werden aufmerksam und melden diese Einkäufe. Die beim letzten Versuch verlorenen Tabletten, das gesehene Auto und andere Auffälligkeiten führen bald zu den gesuchten Personen.
Der Zuschauer zittert mit, ob den Familien die Flucht dieses zweite Mal gelingt, und auch wenn manche Auffälligkeiten und handelnden Personen der Stasi im Film möglicherweise zusätzlich dramatisiert wurden, so nötigt mir der Mut und der unbedingte Wille zur nervenaufreibenden Flucht allen Respekt ab. Eine grandios Umsetzung des Stoffes mit tollen Schauspielern, der auf einer wahren Begebenheit beruht und daran erinnert, welche Verzweiflung Menschen heute aus ihren Herkunftsländern treibt und sie ihr Leben aufs Spiel setzen lässt.
Tanja Schleyerbach
„Ich“ ist das wichtigste Wort
Das Buch der Tagebücher : ausgewählt von Rainer Wieland. – München: Piper, 2010. – 694 Seiten
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Friedrich Hebbel nannte es das „Notenbuch des Herzens“ und Benjamin Constant das „Lagerhaus der Tollheiten“. Die geheimsten Gedanken vertraut man gerne seinem Tagebuch an, aber auch Erfolge und Wünsche, Misslichkeiten, Peinliches und Intimes. Kein Unbefugter soll dazu Zutritt erhalten, aber Tagebücher verheißen dem Leser auch den Blick durchs Schlüsselloch und den Einblick in ganz Privates. Das ist ihr besonderer Reiz. Das Tagebuchschreiben in seiner ganzen Vielfalt präsentiert das „Buch der Tagebücher“. Es lädt ein zu einer abenteuerlichen Reise in die Welt des Denkens und Fühlens und eignet sich auch wunderbar als Jahrbuch, denn Tag für Tag begegnen uns dort Künstler, Erfinder, Abenteurer und Entdecker.
Für alle, die gerne Stöbern und Staunen.
Andrea Däuwel-Bernd